Zwischen Heimatfront und Schützengraben – Der Erste Weltkrieg im Muldental

Ausstellung
Der Erste Weltkrieg – Einführung
Die Stadt Grimma im Erste Weltkrieg
Wirtschaft der Stadt im Erste Weltkrieg
Grimmaer Produkte für die Front
Maschinenbau A.G. Golzern-Grimma
Geschoßkörbe der Firma Tretbar
Fest- und Scherzartikelfabrik Weißing
Rationierung von Lebensmitteln
Ernährungslage in Grimma
Husarenregiment Nr. 19 in Grimma
Vom Schulalltag
Kriegsgefangenenlager Golzern

Geschosskörbe von Julius Tretbar

Die 1850 gegründete und 1877 von Julius Tretbar übernommene Korbmöbel und Kinderwagenfabrik war die älteste und größte Sachsens. Seit der Gründung wuchs das Grimmaer Unternehmen langsam aber stetig zu einer Größe mit etwa 60-100 Arbeitern, davon die meisten Frauen und in Heimarbeit. Der Exportanteil der deutschen Kinderwagenindustrie betrug vor dem Krieg ca. 50%, so dass nach Kriegsausbruch wichtige Absatzmärkte fehlten. Trotzdem hatte Tretbar genügend Aufträge, allerdings wurden nun statt Kinderwagen Munitions- und Geschosskörbe hergestellt.
Zunächst verlief die Entwicklung der Firma sehr gut und 1915 fanden 234 Männer und Frauen in der Firma Arbeit, so viele wie noch nie und auch nie wieder. Da die Produktionsräume in der Nikolaistraße nicht ausreichten, mietete der Inhaber schon im August 1914 zusätzliche Räume im Alten Seminar an. Ab Herbst 1914 mussten die etwa 160 Frauen und 30 Männer Überstunden machen, um die hohen Heeresaufträge zu erfüllen. Der Wochenverdienst im Akkord bewegte sich zwischen 12 und 35 Mark, zwischen 0,58 und 1,50 Mark pro Geschosskorb. Die gezahlten Löhne waren deutlich niedriger als die von Aushilfslieferanten für die Geschosskorbproduktion. Da Tretbar schon vor dem Krieg Geschosskörbe an das Heer geliefert hatte, war er an die alten Verträge gebunden, durch die er bis zu 25% niedrigere Korbpreise erhielt. Weil aber die Preise für Dinge des täglichen Bedarfs stetig stiegen, beteiligten sich schließlich 166 Korbmacher zwischen dem 20. und 24. Januar 1915 an einem Streik, um höhere Löhne zu erzwingen, was mit etwa 10-20% Lohnzuwachs auch gelang.

Der Mangel an Rohstoffen wirkte sich für die Firma ruinös aus. Fast alle Naturrohre, darunter auch die für die Produktion von Geschosskörben unersetzlichen Weidenruten, waren auf dem Markt praktisch nicht mehr erhältlich und die Lager leer. Im Gegensatz zur brandenburgischen oder süddeutschen Kinderwagenindustrie stieg Tretbar auch nicht in die profitable Produktion von Leiter- und Kastenwagen als Ersatzprodukte ein. Der Mangel an Rohstoffen führte bereits seit Ende 1915 zu Produktionsverringerung und Entlassungen, so dass bereits im Mai 1916 nur noch 5 Männer und 45 Frauen Arbeit fanden. Trotz Ausverkaufes des Lagerbestandes mit bis zu 33% Rabatt im gleichen Jahr waren die finanziellen Mittel erschöpft, so dass der Betrieb weiter schrumpfte und ab dem 1.1.1918 zunächst eingestellt wurde.

Die Nachkriegszeit gestaltete sich für die deutsche Kinderwagenindustrie schwierig. Neben die immer noch vorherrschende Rohstoffknappheit und die weggebrochenen Absatzmärkte traten die Außenhandelskontrolle und häufig sogar eine Luxussteuer von 15%, welche den Absatz zusätzlich erschwerten.

Julius Tretbar verkaufte das Fabrikgelände an Hermann Walther Merkel. Laut Handelsregister schied Tretbar am 19. November 1920 als Besitzer der Firma aus und Merkel wurde als Inhaber der nun „Walther Merkel vormals Julius Tretbar“ genannten Firma eingetragen. Von nun an erfolgt die Produktion nur noch sporadisch und mit wenigen Mitarbeitern, belegt sind 14 für das Jahr 1924. Zudem wurden häufig nur noch Reparaturaufträge ausgeführt. Schließlich wurde die Firma am 12. Dezember 1930 aus dem Handelsregister ausgetragen.