16.03.2008 bis 11.05.2008
Mit dieser Ausstellung möchte das Museum ein Stück Alltagsgeschichte vorstellen. Präsentiert wird eine reiche Auswahl an Küchenutensilien wie Vorratsgefäße, Schneidegeräte, Backschüsseln und -formen, Küchenwäsche und vieles mehr. Viele dieser Objekte sind dem Museum in der Vergangenheit als Geschenk zugefallen – einem weiteren Zuwachs aus der Bevölkerung sieht das Museum gern entgegen.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Ausstellung sind Kochbücher aus zwei Jahrhunderten. Sie stammen zum größten Teil aus der Sammlung von Frau Marianne Reitinger-Arnolds aus Neuss. Vor etwa 20 Jahren begann sie diese aufschlussreichen Dokumente eines interessanten Kapitels unserer Alltagsgeschichte systematisch zu erwerben. Inzwischen ist die Sammlung auf 3000 Titel angewachsen, wovon in der Ausstellung die schönsten und interessantesten gezeigt werden.
Dem Aufruf nach Kochbuch-Leihgaben sind auch die Muldentaler nachgekommen. Hier beeindrucken besonders die handgeschriebenen Kochbücher von Irma Geißler oder Martha Prüfer.
Eine kleine Geschichte des Kochbuchs
Das älteste überlieferte Kochbuch „The Forme of Cury“/„Arten des Kochens“ aus der Zeit um 1390 ist in Englisch verfasst. Erhalten gebliebene deutsche handschriftliche Rezeptsammlungen, „Die lêre von der kocherie“, geben einen Überblick über das Kochen und die Speisen im Mittelalter. Von erfahrenen Köchen geschrieben, überliefern sie allerdings keine Maß- und Gewichtsangaben.
Mit der Erfindung des Buchdruckes im 15. Jh. verbreiteten sich Bücher allgemein sehr schnell. „Die Kuchenmaistrey“, das erste gedruckte deutsche Kochbuch, stammt aus dieser Zeit. In Nürnberg 1485 erschienen, erhielt es bis ins 17. Jh. immer neue Auflagen. Erstmals wurden alle Zweige der Kochkunst abgehandelt, Rezepte nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet und zum Teil mit hygienischen Anweisungen versehen.
Neu erschlossene Seewege bereiteten den Weg für die Verbreitung exotischer Gewürze und feinerer Gemüsesorten aus südlichen Ländern auch in Deutschland. Weltberühmt wurde „Ein neues Kochbuch“ aus Frankfurt am Main von 1581, das ein erstes europäisches Kartoffelrezept enthielt.
Die Verfasser von Kochliteratur waren schreibkundige professionelle Köche, Klosterbrüder und Gelehrte, die mit einer kleinen Kräuterkunde auch auf gesundheitliche Aspekte eingingen. Später nahmen auch Bürgerfrauen und Frauen höherer Stände zunehmend eine feste Position im Schreiben dieser Bücher ein, welches ihnen auf anderen „literarischen“ Gebieten meist noch verwehrt blieb. So wurden ab dem 18. Jh. u.a. Kapitel über Koch-, Servier- und Tischzeremonien geschrieben. Ende des 19. Jh. erschienen spezialisierte Kochbücher über die Fasten-, Kartoffel- oder Weidmannsküche und sogar ein eigenes Kaninchenbuch mit 150 Rezepten.
Die wohl berühmteste Kochbuchautorin Deutschlands war Henriette Davidis (1801-1876). Ihre allgemeine große Küchenlehre „Praktisches Kochbuch“ war „das“ Kochbuch im späten 19. und frühen 20. Jh. Es gehörte zur Grundausstattung vieler Haushalte und wurde von Generation zu Generation vererbt.
Ihr Ratgeber war Teil eines umfassenden Erziehungs- und Bildungsprogramms, das sie für Mädchen und Frauen des neu entstehenden Bürgertums konzipiert hatte. Koch-, Back- und Konservierungsrezepte ordnete sie in eine wohldurchdachte Systematik und stellte jedem Kapitel allgemeine Regeln voran. Kochbücher waren zuvor eher für professionelle Köche bestimmt. Mit dem Erstarken des Bürgertums ermöglichten allgemeine Schulbildung und sinkende Druckkosten breiteren Kreisen das Lesen von Literatur.
Davidis selbst war als Hauswirtschaftslehrerin, Erzieherin und Gouvernante, später als selbstständige Autorin tätig.
Henriette Davidis‘ Hauptwerk erschien 1845 mit dem Titel: „Praktisches Kochbuch. Zuverlässige und selbst-geprüfte Recepte…“ in der ersten Auflage von 1000 Exemplaren. In den 1860er Jahren schrieb sie regelmäßig für Zeitschriften wie „Daheim“, eine nach dem Vorbild der „Gartenlaube“ gestaltete bürgerliche Zeitschrift. Als Autorität in Fragen der Haushaltsführung angesehen, wurden ihre Expertisen für Geräte und Produkte, insbesondere für fortschrittliche Neuheiten wie das Geliermittel „Agar Agar“ oder „Liebig’s Fleischextract“.
Berühmt wurde auch das „Bremisches Kochbuch“ von Betty Ilsabetha Gleim. Sie wurde am 13. August 1781 in Bremen geboren. Der Onkel ihres Vaters war der Halberstädter Dichter und Kanonikus Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803), der großen Einfluss auf die Erziehung des jungen Mädchens hatte. Früh widmete sich Betty Gleim der pädagogischen Literatur und fasste den Entschluss, selbst eine „Erziehungsanstalt für die weibliche Jugend“ in Bremen zu gründen. Sie verfolgte Ideen zur Erziehung, wie sie Jean Jacques Rousseau vertrat. Als Anhängerin Johann Heinrich Pestalozzis übertrug sie aber diese Erziehungsziele auf Mädchen, denn, so formulierte sie selbst, „den Männern gefallen, ist zu wenig“. Die pädagogische Autodidaktin Betty Gleim eröffnete am 14. Oktober 1806 im Alter von 24 Jahren die „Lehranstalt für Mädchen“. Am Widerstand der Behörden und dem Desinteresse vieler Bremer gescheitert (Schulbildung für Mädchen wurde für gänzlich überflüssig erachtet), musste sie ihre praktische Lehrtätigkeit 1815 wieder aufgeben. Betty Gleims Vorschläge wurden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch von Pädagogen aufgenommen und bei der Gründung von Lehrerinnenseminaren und Mädchenschulen umgesetzt. Vielen blieb Betty Gleim im Gedächtnis durch ihr Bremer Kochbuch, mit dem sie früh zeigte, dass Hausfrauentätigkeit und intellektuelle Interessen sich nicht widersprechen müssen. Das „Bremisches Kochbuch“ wurde nicht nur bei den Hanseaten Bremens ein großer Erfolg. Es erreichte 1892 seine 13. Auflage.
Allgemeines Interesse erregte auch „Das Wendepunkt-Kochbuch“ von Berta Brupbacher-Bircher. Es handelt sich um ein Diätkochbuch des Bircher-Benner-Sanatoriums in Zürich, welches die neusten Erkenntnisse der Naturwissenschaft und Ernährungslehre zusammenfasst.Das Buch enthält 580 fleischlose Rezepte und 420 Speisezettel.