Die Grimmaer Hängebrücke
Mit der Einrichtung einer Badeanstalt unterhalb der Gattersburg im Sommer 1866 wurde eine Verbindung der beiden Muldeufer notwendig. Anfänglich baute man einen floßartigen Steg. Vom 14. Mai 1876 bis zum Hochwasser am 6. Oktober 1922 verband dann eine Tonnenbrücke die beiden Muldeufer. Der Steg sowie auch die Tonnenbrücke waren dem ständig wiederkehrenden Hochwasser der Mulde ausgesetzt, was häufige Reparaturen und die Einlagerung während der Wintermonate notwendig machte.
An einen Wiederaufbau der Tonnenbrücke war in den Jahren 1922/23 infolge der radikalen Geldentwertung nicht zu denken. Im Januar 1923 hätten allein die Materialkosten 12 600 Mark und im Februar bereits das Doppelte betragen.
Am 28. Januar 1924 beschloss der Rat der Stadt Grimma Kostenvoranschläge für einen hochwassersicheren Ketten- oder Drahtseilsteg einzuholen. Vier Firmen reichten die entsprechenden Unterlagen ein, u.a. die Leipziger Firma Adolf Bleichert. Am 25. April 1924 kamen Rat und Stadtverordnete zu dem Beschluss, eine Drahtseilhängebrücke zu erbauen. Den Auftrag hierfür erhielt die Firma Bleichert. Drei Tage später fand die erste Vorbesprechung vor Ort zwischen dem Oberingenieur Ley von der Firma Bleichert und dem Grimmaer Bürgermeister Dr. Hornig statt. Für den Bauablauf war von Seiten der Stadt der Stadtbaurat Otto Carl zuständig.
Am 26. Mai begann die Dresdener Firma Robert Berndt mit dem Ausheben des Erdreichs für die Brückenauflage am rechten Ufer. Für die Einbetonierung der Tragkabelverankerung wurden entsprechende Mauerwerkskörper errichtet. Auf der linken Seite sollten die Tragseile im Felsen, dem so genannten „Knöchel“, verankert werden. Dazu bedurfte es der Zustimmung der Grundstückseigentümerin Frau Paula Schroeder.
Mit den Zimmerarbeiten für die Gangbahn war der Grimmaer Baumeister Luis Barthel beauftragt. Den Anstrich der Eisenkonstruktion übernahm der Grimmaer Malermeister Otto Benndorf. Durchschnittlich arbeiteten noch 10 Hilfskräfte, die zum Großteil aus der arbeitslosen Bevölkerung rekrutiert wurden, beim Bau der Brücke mit.
Am 6. Oktober 1924, also genau zwei Jahre nachdem das Hochwasser die Tonnenbrücke zerstört hatte, war der Bau fertiggestellt.
Die neue Brücke hatte 80 Meter Spannweite und 1,80 Meter lichte Weite zwischen den Gurtträgern. Die Brückenunterkante lag bei 4,50 Metern über dem Normalwasserspiegel. Die zwei Tragkabel hatten einen Durchmesser von 60 mm mit einer Gesamtbruchfestigkeit von 320.000 kg pro Kabel.
Am 9. Oktober fand die Belastungsprobe der Brücke statt. Für den Fußgängerverkehr wurden 400 kg/qm gerechnet, was einem vierfachen Sicherheitsfaktor entsprach.
Am Sonntag, dem 12. Oktober, wurde die Brücke durch Bürgermeister Dr. Hornig feierlich eingeweiht und für den Verkehr freigegeben.
Der Grimmaer Baurat Otto Carl eröffnete die Einweihungsfeierlichkeiten und betonte in seiner Rede, dass sich das Kollegium zum Bau einer Hängebrücke entschieden habe, ausgehend von dem Grundsatz, etwas Festes, Dauerhaftes zu schaffen, dem die Naturgewalten nichts mehr anhaben können. Im August 2002 mussten die Bewohner der Stadt allerdings mit ansehen, wie die Hängebrücke durch die Wassermassen der Mulde zerstört wurde.
Insgesamt kostete der Brückenbau 56 000 Mark. Die Baukosten sollten durch die Einnahme von Brückengeld innerhalb weniger Jahre in die Stadtkasse zurückfließen. Bereits im ersten Jahr konnte durch die Einnahme des Brückengeldes ein Reingewinn von 7 623, 84 Mark verzeichnet werden.
Das Brückengeld betrug pro Person und Übergang 5 Pfennig. Eine ermäßigte 10-Wochen-Karte kostete 1,25 Mark, Arbeiter und schulpflichtige Kinder zahlten 2 Pfennig pro Überquerung.
Da der Stadtwald mit dem Bau der Brücke nun das ganze Jahr über zugänglich war, legte der Rat der Stadt dort eine Rodelbahn und eine beleuchtete Eisbahn an.
Das Brückenhäuschen wurde im September und Oktober 1925 nach einem Entwurf des Kunstmalers Walter Artus durch das Baugeschäft Robert Barthel errichtet.
Wie die historische Steinbrücke und die Brücke der Muldentalbahn wurde die Grimmaer Hängebrücke Mitte April 1945 beim Heranrücken der US-Truppen gesprengt. Drei Jahre später begann die Firma Bleichert Transportanlagen Fabrik SAG Leipzig N 22 (im Sommer 1946 übernahmen die sowjetischen Behörden das Unternehmen als Sowjetische Aktiengesellschaft)mit dem Wiederaufbau der Brücke. Zu Pfingsten 1949 konnte sie wieder für den Verkehr freigegeben werden.
Im November 1987 musste die Brücke aufgrund der maroden Tragseile gesperrt werden. Da solche Tragseile in der DDR nicht mehr hergestellt wurden, gestaltete sich die Sanierung anfangs schwierig. Mit Hilfe des Chemieanlagenbaus (CLG) konnten sie schließlich von einer österreichischen Firma gekauft werden. Die Seilspannung übernahmen Fachleute des VEB Verlade- und Transportanlagen Leipzig. Die Sanierung war im Frühjahr 1990 abgeschlossen.
Während des Augusthochwassers 2002 wurde die Brücke stark beschädigt. Neben den enormen Schäden in der Grimmaer Altstadt wiesen auch die beiden historischen Brücken einen hohen Grad der Zerstörung auf. Die gewaltigen Wassermassen hatten den Laufsteg der Hängebrücke bald erfasst und verursachten zusammen mit dem mitgeführten Treibgut eine Drehung der gesamten Konstruktion. Erst Monate danach konnte die Brücke von ihrer tonnenschweren Last befreit werden.
Mit der Sanierung beauftrage die Stadtverwaltung die IMC Planungsgesellschaft mbH in Leipzig. Die Firma war aus dem 1890 gegründeten „Karl-Schiege-Eisenbau“ ab 1965 „VEB Industriemontage Leipzig“ hervorgegangen. Ihre Fachgebiete sind bis heute u.a. Tragwerksplanung und Stahlbau.
Das deformierte Brückensegment musste herausgeschnitten und ein neues eingesetzt werden. Statt der traditionellen Nieten verwendete die Firma Schrauben mit Nietkopf aus England. Optisch sollte sich die Brücke, so die Forderung der Denkmalpflege, nicht vom Bleichert`schen Original unterscheiden.
Im Sommer 2003 versahen die Zimmerer der Beuchaer Firma Müller die Brücke mit Eichenbohlen. Am 13. August, genau ein Jahr nach der Flut, weihten die Grimmaer zusammen mit dem Bundeskanzler Gerhard Schröder und Sachsens Ministerpräsidenten Georg Milbradt ihre Brücke wieder ein.
Bereits 10 Jahre später erfasste am 3.6.2013 erneut ein Hochwasser die Brücke. Nach dieser zweiten Naturkatastrophe innerhalb so kurzer Zeit, kam es von Seiten der Stadtverwaltung zu Überlegungen, was mit der Brücke geschehen sollte. Zur Diskussion standen: die Brücke zu sanieren, zu sanieren und um zwei Meter höher aufzuhängen oder der Bau einer völlig neuen Brücke. Man beschloss die Brücke zu sanieren.