Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Grimmaer Schützenfest von Auswärtigen noch gut besucht. So fanden sich am 24. Juli 1820 zum Schießen auf die Königsscheibe auch einige Leipziger Studenten ein. Während sie nachmittags auf der Schützenwiese herumspazierten, näherte sich einer von ihnen, eine Tabakspfeife rauchend, dem auf Fahnenwache stehenden Schützen Hofmann. Da das Rauchen auf öffentlichen Wegen und Plätzen damals verboten und das Verhalten des Studenten recht provokant war, kam es zu einem kleinen Wortgefecht zwischen den beiden. Daraufhin eilten mehrere Schützen herbei und nahmen den Studenten sowie einen Begleiter in Arrest. Während der hiesige Anwalt Melzer Partei für die Studenten ergriff, stellte sich der Schützenkommandant, der Buchhändler Göschen-Beyer, hinter seine Männer. In der folgenden hitzigen Debatte gerieten Göschen und Melzer in einen heftigen Streit. Nachdem letzterer sich etwas zu energisch für die Delinquenten eingesetzt hatte, sollte auch er festgenommen werden. Melzer konnte gerade noch fliehen, wurde aber nach einer turbulenten Flucht durch das Meyersche Festzelt schließlich gefasst und ebenfalls arretiert. Kurze Zeit später hatten sich die Gemüter auf beiden Seiten schon wieder beruhigt und man ließ die drei wieder frei. Damit schien die ganze, an sich harmlose Sache erledigt zu sein. Doch weit gefehlt. Noch während die drei in Haft saßen, hatten sich zwei Studenten auf den Rückweg nach Leipzig gemacht, um von diesem, ihrer Meinung nach unerhörten Vorfall zu berichten. Nach alter Sitte liefen sie durch die Straßen und riefen „Burschen ‚raus!“. Die so zusammengetrommelte Menge war sich schnell einig, dass man für den Frevel, der ihren Brüdern von den Grimmaern angetan wurde, unverzüglich Genugtuung verlangen müsste. Am nächsten Morgen zogen daher etwa 300 Studenten mit 5 bis 6 unterwegs „requirierten“ Leiterwagen nach Grimma. An den Leiterwagen machten sie allerhand Schläger und Knüppel fest, welche an den Absichten des Heerhaufens keine Zweifel ließen. Die Grimmaer waren dementsprechend beunruhigt, als die Studenten gegen Mittag auf dem Marktplatz ankamen und zunächst eine Deputation an den hiesigen Bürgermeister Füllkruß und den Stadtkommandanten Oberstleutnant Stünzer schickten, um den Zweck ihres Erscheinens kundzutun. Stünzer teilte den Studenten sinngemäß mit, dass es zwar sein könne, dass sie das Recht auf Genugtuung hätten, aber dass sie kein Recht hätten Selbstjustiz zu üben. Er machte sie darauf aufmerksam, dass sie gegebenenfalls die betreffenden Schützen ordnungsgemäß beim hiesigen Gericht anzeigen könnten. Zum Schluss ermahnte er die kriegslustigen Studenten, die öffentliche Ruhe nicht zu stören und legte ihnen nahe, das Schützenfest friedlich zu besuchen und sich zu vergnügen, statt sich zu schlagen. Gegen 14 Uhr zogen die Studenten tatsächlich auf die Festwiese. Um den weiteren Verlauf der Angelegenheit zu verfolgen, schickte der Stadtkommandant seinen Adjutanten Grobstich vom hiesigen Husarenregiment mit einem Trompeter zum Festplatz. Die Garnison wurde in Alarmbereitschaft versetzt, um eventuell auf ein Signal des Trompeters hin in das Geschehen einzugreifen. Carl Heinrich Amadeus Grobstich (1794–1867) verbrachte 23 Jahre in der Grimmaer Garnison und war der Stadt so sehr verbunden, dass er hier seinen Lebensabend verbrachte und wiederholt an hiesige wohltätige Einrichtungen spendete, die er auch testamentarisch bedachte.
Die Studenten ignorierten unterdessen die Warnung des Stadtkommandanten, verlangten, sobald sie auf der Schützenwiese eintrafen, eine schriftliche Entschuldigung des Schützen Hofmann und der Schützenkompanie.
Anders, als es sein Name vermuten ließ, gelang es Grobstich durch geschicktes Verhandeln die Gemüter zu beruhigen und drohende Ausschreitungen zu verhindern. Der Schütze Hofmann erklärte sich nicht ganz freiwillig bereit, Abbitte zu leisten und entschuldigte sich unverzüglich, nachdem er von den Studenten eingekreist war. Die Studenten ließen nach längerem Verhandeln von der Forderung nach einer schriftlichen Entschuldigung durch die Schützenkompanie ab. Begünstigt wurde deren Nachgeben durch die etwa um 16 Uhr erfolgte Ankunft des Universitätsgelehrten Mirus, welcher ausgesandt wurde, nachdem die Universitätsleitung Wind von der Angelegenheit bekommen hatte. Als die Differenzen, wie beschrieben, beigelegt waren, beteiligten sich die Studenten friedlich mit entsprechend großem Bierkonsum am Schützenfest. Gegen Abend bzw. erst am nächsten Morgen verließen sie Grimma wieder. Damit endete der Grimmaer Schützenkrieg unblutig, obwohl die Situation durchaus ernst war, wie vergangene Zusammenstöße zwischen Studenten und Bürgerschaft bereits auf traurige Weise bewiesen hatten und bei denen es auch allzu oft Tote gab. Zu denken wäre hier zum Beispiel an den Studentenaufruhr wegen Ausschluß aus den Bierkellern in Leipzig im Jahre 1521.
Peter Fricke, 2017