Auf dem Gelände des heutigen Polizeireviers, bzw. der ehemaligen Amtshauptmannschaft, am Floßplatz befand sich ursprünglich der älteste Fabrikbetrieb Grimmas.
Die Grimmaer Kattunfabrikanten Carl Friedrich (1779-1827) und Johann Gottlob Leonhardt (1771-unbekannt, 27.1.1848 für tot erklärt) gründeten 1814 an dieser Stelle eine Kattundruckerei um der englischen Konkurrenz nach Aufhebung der Kontinentalsperre besser zu begegnen. Carl Friedrich war während seiner Wanderjahre auch in England tätig und hatte die dortigen Fabriken kennengelernt. Beide kauften von der Stadt das aus fünf Gartenparzellen bestehende Gelände. Die Färberfamilie Leonhardt betrieb über 200 Jahre, zwischen 1692 und 1896, zeitweise bis zu vier Färbereien gleichzeitig in Grimma, deren Tuche auf der Leipziger Messe und bis nach Ostasien gehandelt wurden.
Die Brüder bauten zunächst einen großen Websaal und eine Färberei auf dem Gelände und boten in der Folge vor allem den ärmeren Einwohnern eine Beschäftigungsmöglichkeit. Bereits am 29. Dez. 1817 ging die Fabrik aus familiären Gründen für 5000 Taler in den Besitz der nunmehr geschiedenen Ehefrau Johann Gottlob Leonhardts, Johanne Rosine geb. Menge, über, welche den Betrieb wenig später an den Fabrikanten Johann August Leonhardt abtrat. Die Geschäftsführung hatte dessen Sohn Adolph inne, da Johann August 1823 in sein Rittergut nach Leisenau verzogen war. Die Übernahme der Fabrik durch Johanne Rosine hing mit der Scheidung von ihrem Mann Johann Gottlob zusammen der wenig später über Düsseldorf und Le Havre nach Amerika auswanderte (wobei nicht sicher ist ob er jemals da ankam, da sein letzter Brief aus Le Havre stammte) und seit 1826 als verschollen galt. In diesem Zusammenhang verkauften die Brüder auch ihr gemeinsames Haus am Markt. Carl Friedrich Leonhardt blieb in der Langen Straße weiter als Färber tätig.
Am 7. September 1830 verkaufte Johann August Leonhardt das Grundstück mit Gebäuden an den Tuchfabrikanten Christoph Gottlob Wendler, welcher 1831 auch noch die Walkmühle der Grimmer Tuchmacher erwarb. Zudem vergrößerte dieser das Grundstück durch Auffüllung des Muldenteichs und erweiterte, bzw. verschönerte den Garten.
Gegen Ende der 1830er Jahre verkaufte er die Fabrik an den Leisniger Kaufmann Carl Friedrich Wilhelm Rechenberg, der allerdings schon Anfang 1839 verstarb und seinen Erben eine beträchtliche Konkursmasse hinterließ. Der Wert der Fabrik wurde damals auf 22.121 Taler und 6 Groschen beziffert. Aus der Konkursmasse erwarb nun der Leipziger Tuchhändler Heinrich Gustav Halberstadt die Fabrik. Die Geschäftsführung übernahm der Tuchmacher Johann Friedrich Schulze, welcher schon unter den Vorgängern in der Fabrik tätig war. Halberstadt, der auch in Görlitz eine Tuchfabrik besaß, zeigte indessen nur wenig Interesse an dem Grimmaer Betrieb und stellte die Produktion 1845 endgültig ein.
Das ehemalige Färberhaus, auf das sich zuletzt der Fabrikbetrieb beschränkte, verkaufte er an den Papiermüller Tröltzsch, welcher es in eine Papiermühle umwandelte.
Die Gärten und das ehemalige Websaalgebäude gingen für 14.000 Taler am 14. Mai 1845 in den Besitz des ehemaligen amerikanischen Konsuls für die Rheinprovinz und Westfalen, Wilhelm Troost-Simon, über. Dieser ließ das Erdgeschoß, in welchem die Webstühle standen, zu Wohnzwecken umbauen. Den Garten erweiterte er durch Ankauf eines Stückes Gemeindeland noch weiter und gab dem Grundstück fortan den Namen „Muldenau“. Wilhelm Troost-Simon war der Sohn von Johann Abraham Troost (1762-1840), dem Begründer der Rheinisch-Westindischen Kompagnie. Zudem war er der Stiefbruder von Johann Gottfried Böker (1794/5-1860), der seit 1829 (bis 1836) amerikanischer Generalkonsul für die Schweiz war. Zuvor war er seit 1822 Konsul in der Rheinprovinz und Westfalen. Von 1849-1857 betrieb er die Düsseldorf Gallery in New York, die, wie der Name schon sagt, Werke der Düsseldorfer Malerschule ausstellte. Die rund 150 Gemälde der Ausstellung sind bis heute der Grundstock amerikanischer Museen zu dieser Malerschule. Böker war zugleich Interessensvertreter der Rheinisch-Westindischen Kompagnie, die die Übermacht der Engländer und der Hansestädte im Überseehandel brechen wollte. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sein Stiefbruder Wilhelm Troost 1829 sein Nachfolger als Konsul für die Rheinprovinz und Westfalen wurde. Wilhelm Troost starb am 5. November 1852 auf seinem Ruhesitz in Grimma. Nachdem auch seine Frau etwa ein Jahr später verstarb, verkauften die Erben das Gelände am 12. März 1855 an den Amtszimmermeister Heinrich Adolf Zschau.
Von diesem erwarb der damalige Amtshauptmann Dr. Hübel das Grundstück 1867 und richtete den früheren Websaal in der Folge als Dienstgebäude der Amtshauptmannschaft Grimma ein. Mit zunehmenden Aufgaben konnte er jedoch gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Bedürfnisse der Behörde immer weniger erfüllen, so dass der Staat im November 1897 einen Neubau beschloß, dem das alte Dienstgebäude weichen mußte. Insgesamt waren für die Neugestaltung 318.000 Mark in den Staatshaushalt eingestellt, wovon 240.000 Mark auf den Bau des neuen Hauptgebäudes entfielen, der Rest auf Nebengebäude und Gelände. Die Erd- und Maurerarbeiten wurden durch den Grimmaer Bauunternehmer Robert Barthel ausgeführt, am 15. August 1898 in Angriff genommen und 1900 fertiggestellt. Der Abbruch des alten Dienstgebäudes erledigte der Naunhofer Herfurth im Juli 1898, womit der älteste Fabrikbau Grimmas aus dem Stadtbild verschwand.
Peter Fricke, 2020