Mit dem Baugeschehen auf dem Rappenberg und den damit verbundenen Straßenneubauten, werden wieder Stimmen laut, welche eine Benennung einer Straße nach dem ehemaligen Fabrikbesitzer Ferdinand Walther fordern. Seine bekannte Parteizugehörigkeit zur NSDAP wird damit entschuldigt, dass er als Unternehmer keine andere Wahl gehabt hätte als sich der Partei anzuschließen und das über ihn angeblich nur Gutes gesagt werden könne (LVZ 11.12.2019). Diese Aussagen von Vertretern des rechten politischen Spektrums zu hören, welche zudem wenig historisches Verständnis besitzen, verwundert kaum. Allerdings gibt es auch Stimmen von Parteimitgliedern die sich als Vertreter der bürgerlichen Mitte sehen und ebenfalls eine Ehrung Walthers befürworten. Seit den Umbenennungsplänen der Bergstraße 2010/11 kommt diese Diskussion immer wieder hoch. Man sollte aber eine Person anhand vorhandener Tatsachen messen und nicht dem Hören-Sagen nach. Daher soll die Rolle Walthers während der NS-Zeit, wie im erwähntem Artikel von Stadtrat Heine angeregt, im Folgenden nochmals näher beleuchtet werden, obwohl man meinen sollte, dass das was bereits Prof. Horst Naumann über Walthers NS-Vergangenheit geschrieben hat ausreicht, um von einer Ehrung abzusehen.
Ferdinand Walther, der sich 1897 zunächst mit einer Kunstschlosserei selbständig machte, ist bereits am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten. Schon dieser frühe Parteibeitritt schließt einen Zwang, wie er nach dem Krieg gerne als Ausrede benutzt wurde, aus. Das Argument, er wäre zum Beitritt gezwungen gewesen, um sein Unternehmen voranzubringen, entbehrt damit jeder Grundlage. Die NSDAP verfügte 1933 schlicht noch nicht über die Macht jemanden zum Beitritt zu zwingen, sondern musste diese erst festigen, was bekanntlich bis 1935 dauerte. Der Partei fehlte im Übrigen auch die Motivation einen Beitritt zu fordern, denn nach der Machtergreifung wollten ihr so viele Deutsche beitreten, dass sich die Führung gezwungen sah eine Mitgliedersperre zu verhängen, die bis zum 1. Mai 1937 galt. Nebenbei bemerkt gab es auch Grimmaer Fabrikanten ohne Parteizugehörigkeit, die ungeachtet dessen, gute Geschäfte machten und zu weltbekannten Firmen wurden. Zu nennen wären hier Reinhold Kühn von der Etuifabrik und Hermann Weissing Besitzer der Scherzartikelfabrik.
Die Motivation der NSDAP beizutreten lag somit allein bei Ferdinand Walther, sei es weil er wie Viele den Führer bewunderte, oder weil er sich Vorteile von den neuen Machthabern versprach. Für beide Möglichkeiten kann man Tatsachen und Indizien anführen, so dass diesbezüglich keine sichere Bewertung möglich ist. Dass er den Führer bewundert hat, legen folgende Beispiele nahe. So trug die größte Glocke des Glockenspiels im Waltherturm, ein Zitat Adolf Hitlers, ebenso ein Buntglasfenster im „Apell-Saal“ des Waltherwerkes. Daneben gibt es auch Aussagen Walthers die sich zwar nicht mit letzter Sicherheit beweisen lassen, welche aber zeitgenössisch dokumentiert sind. So bezeichnete er Adolf Hitler anlässlich einer ihm zuteilwerdenden Auszeichnung durch den Ortsgruppenleiter der NSDAP Emil Wappler, als „… größtes Gnadengeschenk des Höchsten“ (NfG 6.1.1934) oder anlässlich der Eröffnung der sogenannten Arbeitsschlacht am 21.3.1934: „Unser Führer Adolf Hitler hat unser Vaterland vor dem Untergang gerettet.“ (NfG 22.3.1934) Weitere Beispiele ließen sich anbringen. Anlässlich des vierzigsten Firmenjubiläums würdigte der Ortsgruppenleiter Wappler Walthers „…mannhafte Betätigung für den Nationalsozialismus schon vor 1933. Er sei kein Konjunktur-Parteigenosse.“, ohne allerdings darauf einzugehen wie diese Betätigung konkret aussah (NfG 28.8.1937). Die zahlreichen Geschenke welche er der Partei machte könnten ebenfalls für seine Sympathien sprechen. Genauso gut ist es natürlich möglich, dass er sich damit „nur“ der Partei anbiedern wollte, aber die Tendenz spricht eher dagegen. Einige dieser Gefälligkeiten hat Naumann bereits aufgelistet, bzw. sind in der 1937er Festschrift der Walther Werke enthalten, und brauchen daher hier nicht näher genannt werden.
Auf die Überlassung des ehemaligen Logenhauses in der Schulstr. 17 als Parteiheim der NSDAP muss jedoch noch einmal näher eingegangen werden. Nach der Machtübernahme wurde die Freimaurerei verboten, was angesichts derer Grundprinzipien (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz, Humanität) und der Verschwiegenheitspflicht bei den Zusammenkünften nicht verwunderlich war. Zunächst wurden die Logen um den Anschein der Legalität zu waren zur Selbstauflösung gedrängt, bis teilweise existierende Nachfolgevereine im August 1935 gänzlich verboten wurden. Unter dem Druck löste sich auch die Grimmaer Loge auf, deren Restvermögen, wie die Immobilie, enteignet wurden. Bekanntlich kam Ferdinand Walther in deren Besitz.
Einen besonders faden Beigeschmack erhält die Angelegenheit wenn man bedenkt, dass Walther seit 1934 als Sachverständiger für Enteignungsfälle im Bezirk Grimma wirkte. Als solcher hat er sich nicht nur aktiv an NS-Unrecht beteiligt sondern sich auch persönlich bereichern können. Denn auch der Sportplatz und das Vereinsheim des verbotenen Arbeitersportclubs, welche Walther erwarb, und die den Grundstock zur Walthersiedlung bildeten, gehörten zu diesen Enteignungsfällen. Das ehemalige Logengebäude stellte Walther der NSDAP zunächst unentgeltlich als Parteiheim zur Verfügung, verblieb aber zunächst in seinem Besitz. Dass die Partei wenig Probleme damit hatte in einem Domizil zu residieren, welches ihr im Ernstfall durch Walther entzogen werden könnte und damit streng genommen eine Abhängigkeit einging, zeigt dass man an der Loyalität Walthers keine Zweifel hatte. Eigentum der NSDAP wurde das Gebäude durch Schenkung erst im Juli 1942. Auch das Norkus-Denkmal im Grimmaer Stadtwald wäre ohne die Unterstützung Walthers, dessen Walther-Werke die finanzielle Hauptlast trugen, nur ein einfaches Holzschwert geworden, so wie es die Hitlerjugend einst plante. Seit 1938 ließ Walther das ehemalige Theresenhaus (Steingarten) zu einem HJ-Heim umbauen und erweitern. Laut Planung sollte es das bis dato größte des Reiches werden.
Bei der Partei erfreute sich Walther daher einiger Beliebtheit, so dass die hiesige Parteiprominenz, wie Kreisleiter Otto Naumann oder Ortsgruppenleiter Emil Wappler, überdurchschnittlich häufig im Werk, sowie auf von Walther organisierten Feiern zu Gast war. Auch Formationen von Partei und Wehrmacht waren wiederholt Gäste im Walther-Werk. Seit 1935 war Pg. und Betriebsobmann Hans Flemming stellv. DAF-Ortsgruppenleiter und die Walther-Werke auch über die Gewerkschaft gut mit der Partei vernetzt. Engagierten sich vor 1933 Mitarbeiter in einer Gewerkschaft wurden sie übrigens entlassen. Den häufig genannten Besuch des Gauleiters von Sachsen, Martin Mutschmann, sollte man dagegen nicht überbewerten. Der Gauleiter schmückte sich bekanntlich gerne mit dem Erfolg sächsischer Betriebe ganz unabhängig von der politischen Überzeugung der Inhaber.
Einen häufig genannter Aspekt der ihm positiv angerechnet wird, sind der Bau der Walthersiedlung und seine vermeintliche Wohltätigkeit. Wenn man sich letztere näher ansieht, stellt man schnell fest, dass diese erst 1933 einsetzt und, mit Ausnahme der erwähnten Geschenke an die NSDAP, nur unmittelbar die Firma betrifft. Die Walther-Werke existierten zu diesem Zeitpunkt aber immerhin schon über 35 Jahre und Walther hat sich vor 1933 nie in der Stadt engagiert. Auch hat er weder der Stadt noch der Allgemeinheit (mit Ausnahme der obligatorischen Spenden zum Winterhilfswerk) irgend etwas zukommen lassen, sei es durch eine Geld-, bzw. Sachspende oder durch eine Stiftung, so wie es andere Unternehmer taten. Erinnert sei hier beispielsweise an den Besitzer der Papierwarenfabrik Max Schroeder. Nur während der Hyperinflation gab er an seine Mitarbeiter eine Kohlenspende, so wie es damals fast jeder Betrieb machte. Die Zurückhaltung sich beispielsweise durch ein öffentliches Amt, rege Vereinstätigkeit oder als Spender hervorzutun liegt sicher in seiner Persönlichkeit begründet und kann alleine kein Vorwurf sein. Man muss sich aber fragen wieso sich seine Einstellung diesbezüglich nach der Machtergreifung Hitlers so sehr ins Gegenteil verkehrte.
Die nationalsozialistische Ideologie von Betriebsführer und Gefolgschaft machte sich Walther auch beim Bau der Werkssiedlung ab 1935 zu Eigen. Hier bot sich die Möglichkeit wichtige Angestellte stärker an sein Unternehmen zu binden. Die schlechten Erfahrungen, welche er Anfang der 1920er mit dem Fortgang von vier leitenden Mitarbeitern, die in Borsdorf ein Konkurrenzunternehmen errichteten, machte, hatte er sicher nicht vergessen. Auch sonst blieben bei Weitem nicht alle Lehrlinge, von denen er stets viele ausbildete, nach der Lehre der Firma treu. Diese erhielten bei Walther zwar eine fachlich gute Ausbildung, aber die Bezahlung war eher durchschnittlich und konnte nicht mit den Löhnen, welche in den großen Industriezentren gezahlt wurden, mithalten. Ausgewählte Facharbeiter unterstützte Walther beim Siedlungsbau teilweise mit langfristigen Krediten. Die Häuser wurden dagegen zu einem großen Teil in Eigenleistung an Sonntagen und in sogenannter Feierabendarbeit errichtet. Mittelpunkt der Siedlung bildete das Gemeinschaftshaus mit Schwimmbad, Kegelbahn und Sportplatz, welches den Siedlern und sonstigen Werksangehörigen zur Verfügung stand. Diese von den Mitarbeitern dankbar angenommene Einrichtung hatte allerdings auch den Nebeneffekt durch Gemeinschaftsaktivitäten soziale Kontrolle auszuüben wie es dem NS-Zeitgeist entsprach.
Die Diskussionen den Namen der Bergstraße in Ferdinand-Walther-Straße zu ändern sind nebenbei bemerkt keine Erfindung unserer Tage. Schon 1937 wurden vor der Einweihung der Siedlung im Stadtrat Stimmen laut, welche eine Namensänderung forderten, um einen Mann zu Ehren, der sich um die Partei verdient gemacht hat. Da die Benennung einer Straße nach noch lebenden Personen verboten war, einigte man sich auf den Vorschlag des Bürgermeisters stattdessen der neuen Siedlung den Namen „Ferdinand-Walther-Siedlung“ zu geben.
Letztlich sollte man sich auch fragen wie die Zeitgenossen Ferdinand Walther gesehen haben. Von den Vertretern des linken Spektrums, wie SPD und KPD, wurde er in den 1920ern immer wieder einmal angeprangert. Vorgeworfen wurden ihm meistens zu hohe Arbeitszeiten (z.B. VZ 16.11.1922 / 7.12.1925), aber auch Lehrlingsmisshandlungen (VZ 14.11.1919). Die meisten Anschuldigungen verbreitete die Volkszeitung für das Muldental, welche nicht gerade arbeitgeberfreundlich eingestellt war. Dennoch ging die Gewerbepolizei den meisten Vorwürfen nach, so dass man heute in manchen Fällen nachvollziehen kann, ob diese gerechtfertigt waren. Vor allem Anfang der 1920er überschritt die tägliche Arbeitszeit tatsächlich den gesetzlich geltenden Achtstundentag deutlich. Erst mit der Änderung des Manteltarifvertrages 1925 war die bei Walther vorherrschende 52stündige wöchentliche Arbeitszeit maßgeblich, womit alle folgenden Anschuldigungen diesbezüglich ins Leere liefen.
Die Vertreter der NSDAP haben, wie oben ausgeführt, Ferdinand Walther dagegen immer als einen der ihren angesehen, seine Nähe gesucht und nie an seiner Loyalität gezweifelt. Warum sollte man also heute an seiner politischen Einstellung zweifeln? Bei seinen Arbeitern genoss er nicht zuletzt aufgrund seiner Volkstümlichkeit und seines zweifellos großen Arbeitseifers einige Sympathien, auch wenn diese nicht so umfassend waren, wie das insbesondere die Festschrift zum 40jährigen Firmenjubiläum glaubhaft machen will. Einrichtungen wie eine Betriebsküche oder Werkskapellen existierten in fast allen Fabrikbetrieben lange vor 1933 und stellten nichts Besonderes dar.
Trotz allem ist die Lebensleistung Ferdinand Walthers durchaus erinnerungswürdig und die ehemaligen Walther-Werke ein wichtiger Teil der Ortsgeschichte. Das Grimma heute noch ein bedeutender elektrotechnischer Standort ist, verdankt die Stadt seiner Gründung und deren Fortleben als ESG während der DDR-Zeit. Das man sich an Ferdinand Walther erinnern sollte heißt aber nicht, dass man seine Person, mit sehr zweifelhafter NS-Vergangenheit, auch öffentlich ehren sollte. Die Stadtväter täten gut daran den bestehenden Beschluss, Straßennamen nicht mit Personennamen zu belegen, beizubehalten, egal um welche Person es sich handelt. Es würde auch schwer fallen den vielen Zuzüglern, die nicht mit den Grimmaer Verhältnissen vertraut sind, verständlich zu machen, weshalb eine Straße in der sie wohnen vielleicht einmal nach einem NSDAP-Mitglied benannt werden soll.
Peter Fricke