Die 1908 in Grimma veranstaltete Gewerbe- und Industrieausstellung schloss mit einem Gewinn von fast 9.000 Mark. Davon wurden 4.500 Mark zur Errichtung eines Monumentalbrunnens auf dem Marktplatz bestimmt. Da dieses Geld allein nicht für einen repräsentativen Brunnen reichte, wendete sich der Stadtrat an das sächsische Innenministerium, um Mittel aus dem Kunstfond erhalten zu können. Im Mai 1910 bewilligte das Ministerium das Anliegen und beauftragte den Akademischen Rat in Dresden, einen Wettbewerb unter den sächsischen bzw. in Sachsen lebenden Künstlern auszurufen. Die Unterstützung durch den akademischen Rat erfolgte auch, weil dieser in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg bei der Ausführung von plastischen Werken Brunnen bevorzugte. Die Höchstsumme für den Brunnen wurde auf 15.000 Mark festgesetzt, wovon die Stadt 3.000 Mark zu tragen hatte. Zusätzlich musste sie noch für sämtliche Nebenkosten und die Beseitigung der Glasveranda vor dem Rathaus aufkommen. Im Nachhinein wog der relativ bescheidene finanzielle Beitrag der Stadt schwerer, als dass mit Inanspruchnahme des Kunstfonds auf sämtliche Mitbestimmung über die Ausführung des Brunnens verzichtet werden musste. Bis zum 29. Oktober des Jahres wurden 69 Entwürfe in der kgl. Akademie der Bildenden Künste eingereicht. Wenn man die eingangs genannte Einschränkung auf sächsische Künstler bedenkt eine stolze Anzahl.
Am 15. Dezember reisten Bürgermeister Lobeck und 5 weitere Ratsherren nach Dresden, um die (meist) Gipsmodelle, im Maßstab eins zu zehn, zu begutachten. In Begleitung von Geheimrat Dietze und Prof. Wrba (u.a. Schöpfer der Plastik des Wurzener Kriegerdenkmals) wandelte man durch die Ausstellungsräume und war erstaunt und wohl auch etwas stolz über die vielen Entwürfe. Die Grundform bestand bei den meisten Modellen aus einem runden oder vieleckigen Bassin mit einer, von einer Figur oder Figurengruppe, bekrönten Säule. Mit den Figuren wurden dargestellt Albrecht der Beherzte, fahrende Schüler, Katharina von Bora, Schäfer, Nachtwächter, Marktfrauen, mythologische Gestalten und einige mehr. Bei den Gruppen waren Nixen, geschwätzige Marktfrauen, spielende Kinder, selbst Kobolde vertreten. Neben kuriosen Entwürfen gab es auch einige, welche den Herren aus Grimma gefielen und so waren sie sichtlich enttäuscht, als sie zum Abschluß ihres Rundgangs die von der Jury prämierten Modelle präsentiert bekamen. Der 1. Preis, und auch zur Ausführung bestimmt, ging an Paul Pils, der 2. Preis an Franz Stellmacher und der 3. Preis an Oskar Döll. Die Tatsache, dass alle drei Preisträger Schüler von Georg Wrba an der Kunstakademie waren, dürfte eine nicht unwesentliche Rolle bei der Preisvergabe gespielt haben.
Als die Stadtväter vor die vollendeten Tatsachen gestellt wurden, waren sie schon ein wenig pikiert, da sie den Herren aus der Kunstakademie ein wenig mehr Geschmack zugetraut hätten. Der Entwurf zeigte „… eine Jungfrau, von der man annehmen darf, daß sie soeben dem Bade entstiegen ist. Sie trägt in der rechten Hand Etwas, was wohl ein Schwamm sein kann, über den linken Unterarm hängt ein Tuch, wohl das Badetuch, herab“.
Ob man dieser Darstellung eines Zeitgenossen folgt oder doch eher an eine Aphrodite glaubt, bleibt jedem selbst überlassen. Es ist allerdings Fakt, dass nackte, an Darstellung von Nymphen orientierte Skulpturen bei Künstlern der Zeit um 1900 äußerst beliebt waren. So wurde auch dem Dresdener Künstlerkreis von prüden Bürgern vorgeworfen, dass seine Vorliebe für mythologische Gestalten nur ein Vorwand für die Darstellung des nackten, meist weiblichen Körpers, sei. Die Grimmaer Brunnenfigur passt durchaus in diesen Kontext.
Jedenfalls ließ sich die Grimmaer Abordnung nach gutem Zureden von dem künstlerischen Wert der Figur überzeugen. Es gab aufgrund der genannten Bedingungen ohnehin nur die Möglichkeit zu akzeptieren oder auf den Brunnen zu verzichten. Da man unbedingt einen Brunnen wollte, entschied man sich für die erste Variante und beschloss sogar noch 1.200 Mark für ein Becken aus Muschelkalk statt Sandstein zu beschaffen. Die ersten 500 Mark spendeten die Herren noch in Dresden, der Rest sollte über Spenden in Grimma zusammenkommen. Im Februar 1911 erließ die Stadt einen Spendenaufruf, um die restlichen 700 Mark zu beschaffen. Eine Fotografie des Modells war zu diesem Zweck in einem Schaufenster zu sehen und bereits im April hatte man 984,40 Mark an Spendengeldern gesammelt. Insgesamt gab die Stadt 6.681,87 Mark für den Brunnen aus.
Die Wasserversorgung wurde ursprünglich über die alte Malzmühlenwasserleitung gewährleistet, welche aber nur eine Wassermenge von 12 Litern pro Minute erbrachte. Um dennoch ein würdiges Plätschern zu erreichen, läuft das Wasser an vier Seiten über drei kleinere Becken in das Bassin. Die vier Fische, aus denen das Wasser sprudelt, sollen übrigens Delphine sein. Ein Jahr später, am 18. August 1912, weihte man den Marktbrunnen mit einem großen „Brunnen- und Blumenfest“ ein.
Auch wenn die Freude über einen Brunnen überwog, blieb die Beziehung zur Brunnenfigur zunächst zwiespältig, auch weil sie keinen Bezug zu Grimma hatte. Schon im Dezember des Jahres wurde die Figur Opfer eines Streiches von Leuten, die „nicht wissen was nackt ist, sondern nur Entblößtes sehen“ und die ihr ein Höschen und ein Kopftuch verpassten. Solche „Verschönerungen“ hat die Brunnenfigur bis heute zu erleiden und sie war immer wieder Opfer von Spottgedichten und teils groben Scherzen. Den Namen „Eva“ soll sie schon bald nach ihrer Aufstellung erhalten haben, wohl auch aus der Not heraus, da die Bürger nichts mit ihr anzufangen wußten.
Der Erste Weltkrieg brachte zwei Ereignisse für die Brunnenfigur mit sich. Zuerst fiel ihr Schöpfer am 22. August 1915 in den Kämpfen vor Brest-Litowsk und gegen Ende des Krieges sollte sie sogar eingeschmolzen werden.
Zu Paul Pilz, der am 4. November 1883 in Görlitz geboren wurde, ist wenig bekannt. Er war Schüler der Akademien in Breslau und Dresden, bei der letzteren im Meisteratelier von Georg Wrba. Seit 1909 trat er als Bildhauer in Erscheinung und schuf gemeinsam mit Drell (ebenfalls im 1. Weltkrieg gefallen) den Figurenschmuck am Dresdener Schauspielhaus. Aus seinen Händen stammt auch der Gebäudeschmuck an mehreren Bauten des bekannten Dresdner Stadtbaurats Erlwein. Er war auch mit einer Brunnenfigur auf der Dresdener Kunstausstellung 1912 vertreten. Ob es sich bei dieser Figur um die hiesige „Eva“ handelte, ließ sich bisher leider nicht ermitteln. Kurz vor dem Krieg erhielt er den Auftrag, eine Figurengruppe für das Theater in Bad Elster zu schaffen, welche er aber aufgrund seines Heeresdienstes und frühen Todes nicht mehr in Angriff nehmen konnte. An der Ostfront eingesetzt, wurde er mit dem Eisernen Kreuz 2. Kl. und der österreichischen Tapferkeitsmedaille 1. Kl. ausgezeichnet. Die Grimmaer Brunnenfigur scheint die einzige erhaltene Skulptur (von Bauplastik abgesehen) des Künstlers zu sein.
Die katastrophale Rohstofflage führte in den letzten Kriegsjahren nicht nur zur Einschmelzung zahlreicher Glocken jedweder Art, sondern auch zur Demontage von Denkmälern. In Leipzig wurde zum Beispiel die Preisgabe von 13 Denkmälern beschlossen und so verwundert es nicht, dass im August 1918 auch in Grimma eine Diskussion darüber entbrannte, ob man nicht die Brunnenfigur für das Vaterland opfern sollte. Auch hier zeigt sich, wie unbeliebt „Eva“ zu dieser Zeit noch war. So gab es zwar Grimmaer, die sich um eine sachliche Diskussion in der Frage bemühten, aber keiner derjenigen, die sich zu dem Thema äußerten, war gegen eine Einschmelzung. Ein Leserbrief an die örtliche Zeitung gibt den Grundtenor wieder. Dort heißt es [Auszug, gekürzt]: „Aber ist unsere Brunnenfigur wirklich die Freude unserer Einwohner? Es wurde zugegeben, daß viele Grimmaer Ärger darüber empfinden. Damit ist diese Frage eigentlich schon beantwortet. … Das Vaterland fordert große Opfer. Sollte es wirklich so unerhört sein diese, nicht am rechten Platz stehende Statue zu opfern? … Den heiteren Spott der Mitwelt über unseren Brunnen tragen wir längst. Wir tragen ihn lächelnd und mit einer kleinen inneren Zustimmung. Der Spott der Nachwelt wird ein anderer sein: ‚Konnte sich Grimma in einer solchen Zeit nicht von diesem Denkmal trennen?‘ … Uns aber beschere der Friede auf unserem Brunnenaufbau ein steinernes Gänsemädchen, das verständnisvoller auf unsere lieben Marktweiblein herabsieht.“
Es bleibt festzustellen, dass nur das Kriegsende die Brunnenfigur vor der Vernichtung gerettet hat.
Was der Erste Weltkrieg nicht schaffte, erreichten dann die Nationalsozialisten noch zu Friedenszeiten. Der gesamte Brunnen wurde 1939 demontiert, um mehr Platz für Aufmärsche zu schaffen und man lagerte ihn in der alten Hauptfeuerwache ein. Die Figur blieb auch im Zweiten Weltkrieg vor der Einschmelzung verschont und wurde samt Brunnen nach dem Krieg (1947) wieder auf dem Marktplatz installiert. Die Beziehung der Grimmaer zur Brunnenfigur hat sich im Laufe der Zeit gewandelt und niemand würde heute auf die Idee kommen sie einzuschmelzen. Seit Ende 2014 traut man sich sogar sie anzuleuchten.
Peter Fricke, 2017