Der Kampf um die Vormachtstellung im Deutschen Staatenbund erreichte mit dem Krieg zwischen Preußen und Österreich seinen Höhepunkt. Sachsen war zusammen mit Hannover und Bayern Verbündeter des österreichischen Kaiserhauses und wurde so in den Konflikt hineingezogen. Die Ereignisse im Sommer 1866 waren recht chaotisch und für die Bevölkerung kaum zu überblicken. Zeitungen wurden zensiert, so dass Nachrichten von Bekannten und Gerüchte die verlässlichsten Quellen für die Bevölkerung waren. Zeitungsberichte, Bekanntmachungen und Tagebuchauszüge geben einen Einblick in das Kriegsgeschehen, so wie es die Grimmaer damals erlebten.
Freitag – 15. Juni 1866
Am 15. Juni 1866 überschritt die längst kampfbereit aufmarschierte preußische Armee die sächsische Grenze. Obwohl in Grimma bekannt war, dass sich die sächsische Armee nach Böhmen zurückzog, hielt sich in Grimma das Gerücht, wonach bayrische Truppen die Preußen bei Döbeln und Ostrau erwarten würden. Der Bahnbetrieb wurde eingestellt und die Post lehnte es ab, eine Bürgschaft für ihre Sendungen zu übernehmen. In Grimma machte sich langsam Panik breit, so dass Bürgermeister Hennig auf das Verbreiten „grundloser Gerüchte, welche die Anwohner in Angst und Furcht bringen“ Strafen androhte. Auch die Kreisdirektion sah sich ihrerseits genötigt, Strafen von bis zu 6 Monaten Gefängnis zu verhängen. Des Weiteren wurde ein Einquartierungsausschuss aus verschieden Bürgern der Stadt gebildet. Dieser bestimmte, dass jedem Soldaten täglich ein Frühstück mit Kaffee oder Suppe, ein Mittagessen mit einem halben Pfund Fleisch und Gemüse sowie einer halben Kanne Bier zu gewähren sei. Das Abendessen sollte aus einer Suppe und einer halben Kanne Bier bestehen. Zu jeder Mahlzeit waren außerdem Brot, Butter und Tabak zu liefern.
Samstag – 16. Juni 1866
Einem Tagebucheintrag kann man entnehmen, dass der Stadtrat sich in einer permanenten Sitzung befand. Die Preußen vermutete man schon in Löbau, Zittau, Bautzen, Wurzen und Leipzig. In Grimma erwartete man sie stündlich und deckte sich schon mal mit allen möglichen Lebensmitteln ein. Die Marktpreise zogen an.
Sonntag – 17. Juni 1866
Gegen Mittag ertönten Rufe, dass Bayern am Brückentore seien, worauf die Bevölkerung freudig dorthin strömte. Die Enttäuschung war jedoch groß, als sich die vermeintlichen Bayern als preußische Dragoner entpuppten. Diese verhörten den Bürgermeister, der Auskunft geben musste, ob Bayern in der Nähe seien. Nachdem die Reiter auch noch an der Post Auskunft verlangten, ritten sie wieder durchs Hohnstädter Tor aus der Stadt. Die Preußen waren unterdessen in Meißen, Bautzen und Chemnitz eingerückt.
Montag – 18. Juni 1866
Auswärtigen Zeitungen war zu entnehmen, dass die Preußen Wurzen, Strehla, Riesa und Oschatz besetzt hielten, während Leipzig und die Lausitz noch nicht in feindlichen Händen seien. In der Stadt wurden amtliche Plakate angebracht, in denen der sächsische König seinen Siegeswillen bekräftigte und zum Ausharren aufrief. Der Stadtrat ließ derweil Handzettel verteilen, welche den Hausbesitzern die Einquartierungsbestimmungen erläuterten. Privatnachrichten aus Waldheim konnte man entnehmen, dass dort preußische Truppen einmarschiert waren. Leipzig und die Lausitz sollten nun doch besetzt und der König mit dem Rest der Armee nach Böhmen geflohen sein. Die Preußen besetzten am Vormittag Dresden.
Dienstag – 19. Juni 1866
Eine Schwadron preußischer Dragoner passierte am Vormittag die Stadt und ritt, nach gehöriger Stärkung mit Bier im Ratskeller, in Richtung Colditz weiter. Wenig später folgten Husaren und vier Bataillone Landwehr, begleitet von Pulverwagen und anderem Fuhrwerk. Die Einquartierung der wohl überwiegend aus Westfalen stammenden Infanterie begann. Dabei wurde schnell deutlich, dass die feindlichen Soldaten nichts für den Krieg übrig hatten und in typisch preußischer Manier in die Armee gepresst wurden. Die Truppen kamen von Eilenburg und hatten seit Kriegsbeginn noch keinen Tag Rast. Die Bewohner verbrachten den Abend gemeinsam mit den Soldaten in den Wirtshäusern, die selten so belebt waren. Leipzig wurde nun wirklich vom 4. preußischen Garderegiment besetzt. Die Leipziger Zeitungen wurden verboten. Preußen erklärte an diesem Tag Österreich offiziell den Krieg.
Mittwoch – 20. Juni 1866
Zwischen 7 und 9 Uhr zogen die Truppen in Richtung Leisnig wieder ab, ohne eine Besatzung zurückzulassen. Insgesamt waren etwa 1500 Mann in Grimma einquartiert. In Nerchau waren es 600, im kleinen Höfgen 200.
Die Stadt wurde unterdessen zur Lieferung beträchtlicher Mengen an Brot, Fleisch, Reis, Kaffee und Salz verpflichtet.
Die wenig ergiebigen Nachrichten des Grimmaischen Wochenblatts vermerken nur: „Am 19. Juni trafen Preußen in Grimma ein und verließen andern Morgen die Stadt wieder“.
Donnerstag – 21. Juni 1866
Gerüchte über verlorene Gefechte der Preußen in Schlesien und Sachsen machten die Runde. Sächsische Zeitungen waren nicht mehr erhältlich, preußische zwar schon, aber denen traute keiner. Dafür wurde die Bahnverbindung nach Leipzig wieder aufgenommen, nachdem man vorher telegraphisch angefragt hatte, ob die Strecke frei sei.
Freitag – 22. Juni 1866
Die Kommunalgarde sorgte während der Abwesenheit der Preußen für Ruhe und Ordnung in der Stadt.
Gerüchte von geschlagenen Preußen, die vor Bayern und Sachsen fliehend und plündernd von Leisnig herkommen sollten, machten die Runde. Diese Nachricht wurde auch durch den Obergendarm Thiele, welcher den Preußen entgegen ritt und Kohlenarbeitern aus dem Thümmlitzwald bestätigt. Panik machte sich wieder breit. Landwirte trieben ihr Vieh in den Wald, Geschäftsleute schafften ihre Waren in den Keller, Türen und Fenster wurden verbarrikadiert, Geschäftsschilder unkenntlich gemacht, Wertgegenstände versteckt, vergraben oder vermauert, einige Bürger flohen sogar auf die Gattersburg und den Tempelberg. Manch einer reaktivierte einen Säbel aus den Befreiungskriegen, um sein Hab und Gut schützen zu können. Die Stadtväter trafen sich auf dem Marktplatz und beratschlagten die nächsten Schritte. Einer wollte sogar die Muldenbrücke sprengen lassen. Besonnenere erinnerten daran, wie gut man wenige Tage vorher mit den preußischen Landwehrmännern ausgekommen war.
In der Nacht stellt sich heraus, dass an den ganzen Gerüchten kein Funke Wahrheit war und lediglich eine preußische Patrouille in der Leisniger Gegend unterwegs war.
Samstag – 23. Juni 1866
Ab diesem Tag waren wieder Zeitungen erhältlich, darunter die Leipziger Zeitung, welche aber über den Krieg keine nennenswerten Nachrichten brachte. Privatnachrichten und Gerüchten zufolge soll es um die Preußen in Schlesien schlecht gestanden haben. Der Stadtrat warnte vor dem Abreißen feindlicher Bekanntmachungen. An jedem Haus musste die Hausnummer deutlich lesbar angebracht werden, wollte man eine Strafe von 20 Neugroschen vermeiden.
Montag – 25. Juni 1866
Abends brachte ein Extrazug etwa 60 preußische Soldaten nach Grimma. Mit Trommelwirbel durchzogen sie die Stadt, bestiegen den Tempelberg und besichtigten die Landesschule, bevor ihre Tour auf der Gattersburg endete. Gegen 20 Uhr verließen sie die Stadt wieder, ohne dass sich die Einwohner einen Reim auf diesen sonderbaren Besuch machen konnten. Manche vermuteten, dass der Trupp Orte für mögliche Befestigungswerke auskundschaften sollte.
Mittwoch – 27. Juni 1866
In Grimma wurde bekannt, dass sich das preußische Hauptquartier bereits in Reichenberg befand und die österreichische Grenze überschritten wurde. Ein zur sächsischen Armee eingezogener Grimmaer, welcher krankheitshalber wieder entlassen wurde, berichtete von der sinkenden Moral der sächsischen Truppen.
Sonntag – 1. Juli 1866
Nachrichten von Siegen der Preußen und der Kapitulation der Hannoveraner erreichten Grimma.
Montag – 2. Juli 1866
Der Turnverein beschloss wegen der ungünstigen Zeitumstände, den Vereinsbeitrag von fünf auf zweieinhalb Neugroschen zu senken.
Dienstag – 3. Juli 1866
Tag der Schlacht von Sadowa (Königgrätz). Die Österreicher erleiden eine entscheidende Niederlage.
Die Preußen verlieren etwa 11.000 Mann, davon ca. 2.000 Gefallene, die Österreicher ca. 49.000 Mann, davon ca. 7.500 Gefallene und 22.000 Gefangene. Das sächsische Korps verlor 55 Offiziere und 1.446 Mann, davon 135 Tote, 940 Verwundete und 426 Vermisste.
Donnerstag – 5. Juli 1866
In Grimma sank die Zuversicht auf einen Sieg der Verbündeten. Wagenladungen von Verwundeten kamen aus Böhmen und fuhren weiter in Richtung Leipzig und Berlin.
Freitag – 6. Juli 1866
Das Dresdner Abendblatt bestätigte amtlich den preußischen Sieg bei Königgrätz.
Donnerstag – 26. Juli 1866
Der Vorfrieden von Nikolsburg wurde geschlossen.
Samstag – 18. August 1866
Die offizielle Verlustliste der sächsischen Armee wurde veröffentlicht. Danach betrugen die Verluste des 2. Reiterregiments aus Grimma 9 Mann. Insgesamt wurden 2.177 Mann der sächsische Armee getötet, verwundet oder vermisst, davon 265 Gefallene.
Donnerstag – 23. August 1866
Mit dem Frieden von Prag endete der Deutsche Krieg.
Peter Fricke, 2016