Grimmas Gärten im Wandel der Zeit

Grimmas Gartenkultur reicht nachweislich bis ins 13. Jahrhundert zurück und entwickelte sich über viele Jahrhunderte weiter. Schaut man auf alte Stadtpläne, fallen zwei Gartengrundstücke sofort ins Auge: der sogenannte Steingarten und – wie ihn unser Ortschronist Lorenz benennt – der Herfuthsche Garten gegenüber der heutigen Oberschule am Wallgraben. Weiterhin ist der Garten um die Gattersburg erkennbar, vom Mühlgarten oder auch „Muldenau“ genannt, erfahren wir nur aus der Lorenzschen Chronik Näheres. Diese vier Gärten sollen hier eingehender betrachtet werden.
Darüber hinaus hatten die Bürger in ihren Höfen ebenfalls kleine Gartenanlagen, was auf dem Stadtplan von 1830 sehr gut zu erkennen ist. Im Laufe der Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte haben nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Gärten der Bürger eine Zweckentfremdung und Umnutzung erfahren. Nach 1990 begannen viele Hausbesitzer nicht nur ihre Gebäude zu sanieren, sondern auch ihre Gärten neu zu gestalten. Die zahlreichen Schuppen und Nebengelasse konnten abgerissen und dafür Grünanlagen angelegt werden. Gründe hierfür sind die veränderte Heiztechnik, die aus sozialistischer Mangelwirtschaft bedingte Vorratshaltung, aber auch der Wegfall von vielen kleinen Handwerksbetrieben.

Die Mühlgärten

Gegenüber der Großmühle, auf dem Gelände des heutigen Polizeireviers, befanden sich die sogenannten Mühlgärten, die seit Mitte des 13. Jahrhunderts zum Nonnenkloster Nimbschen gehörten. Im Lauf der Zeiten wechselten sie mehrfach den Besitzer. 1542 erwarb die Stadt Grimma das Gelände, teilte es in fünf kleinere Grundstücke und verpachtete diese an Grimmaer Bürger.Ende des 18. Jahrhunderts kaufte der Schulamtmann Carl Christoph Wendt zwei der Gärten und baute an der südlichen Ecke ein Haus. Die drei benachbarten Gärten wurden 1800 durch den Postmeister Carl Gottfried Hennig gekauft. 1814 gingen vier Grundstücke an die Kattunfabrikanten Johann Gottlieb und Carl Friedrich Leonhardt, die hier eine Kattundruckerei betrieben. Die Brüder bauten einen großen Websaal und eine Färberei auf dem Gelände.1830 ging das Grundstück an den Tuchfabrikanten Christoph Gottlob Wendler, der ein Jahr später die Walkmühle dazu erwarb. Er verschönerte den Garten und ließ den Muldenteich auffüllen, um das Grundstück zu vergrößern. Nach einigen Jahren verkaufte Wendler die Tuchfabrik mit dem Grundstück an einen Leisniger Kaufmann, der jedoch bald in Konkurs ging. Neuer Besitzer wurde der Leipziger Tuchhändler Heinrich Gustav Halberstadt, der hier bis 1845 die Tuchproduktion betrieb. Das ehemalige Färberhaus ging an den Papiermüller Tröltzsch, der es in eine Papiermühle umwandelte.

Den Garten mit den darin befindlichen Gebäuden erwarb Wilhelm Troos-Simons aus Leipzig, ein ehemaliger nordamerikanischer Konsul. Im Erdgeschoss des Gebäudes, in dem die Webstühle der Tuchmacher standen, wurden Wohnräume eingerichtet. Der Garten, durch Ankauf der benachbarten Wiese vergrößert und geschmackvoll angelegt, erhielt den Namen „Muldenau“.
Die Erben des ehemaligen Konsuls veräußerten das Grundstück 1855 an den Grimmaer Amtszimmermeister Heinrich Adolph Zschau, der den Garten weiter pflegte.

1867 ging der Besitz an den Amtshauptmann Gustav Friedrich Hübel, der den ehemaligen Websaal als Dienstgebäude der Amtshauptmannschaft Grimma nutzte. 1898 wurde das ehemalige Fabrikgebäude abgerissen und mit dem Neubau der Amtshauptmannschaft begonnen.

Heute befindet sich auf dem Gelände die Polizeidirektion. Vom einstigen Garten blieb nichts erhalten.

Gensels Garten (ehemals Wendtsches Vorwerk, heute Steingarten genannt)

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts befanden sich auf dem Areal zwischen Beiersdorfer Straße und Rappenberg zwei kleine Gärten, ein Baum- und ein Gemüsegarten, der übrige Platz war eine wüste Lehde. Der Besitzer des Grundstücks war der Grimmaer Bürger Haußwald.

1753 kaufte der Schulamtmann Carl Christoph Wendt (1705-1784) die Gärten. Er legte hier einen großen Lustgarten an, baute sich ein Sommerhaus und ließ das Gelände mit einer Bruchsteinmauer umziehen. Er machte die Lehden urbar, kaufte angrenzende Grundstücke dazu und legte ein Vorwerk an. Das Gelände umfasste etwa 9 Hufen. Nach Wendts Tod ging der gesamte Besitz an seine Witwe. Nach ihrem Tod 1822 wurde das Anwesen geteilt. Ihr Sohn aus 1. Ehe, der Ökonom Friedrich Christoph Gensel, bekam einen Teil, den anderen die Kinder ihrer vor ihr verstorbenen Tochter aus 1. Ehe, Frau Prof. Hochmuth. Die Hochmuthschen Erben verpachteten ihr Gelände einige Jahre und verkauften 1832 ihren Gartenanteil mit den Wirtschaftsgebäuden an den Ökonomen Johann Heinrich Hucho. Dieser bewirtschaftete das Grundstück 10 Jahre lang. Von diesem kaufte es dann Wilhelm Berger, der die Wiesen, Felder und Gärten sofort einzeln veräußerte. Den ummauerten Garten mit den sich darin befindenden Gebäuden kaufte am 6.10.1843 Carl Heinrich Adolph von Nostitz-Rothenburg.
Dieser ließ 1850 den linken Flügel am Sommerhaus anbauen. Die Gartenanlage verpachtete er an verschiedene Gärtner: 1860 an Carl Bachmann, 1870 an Adolf Hartig, um 1880 an J. Schneider.1884 kaufte der Grimmaer Verleger Gustav Gensel, der Sohn von Friedrich Christoph Gensel, das Anwesen seiner Vorfahren zurück und verpachtete das Gartenland zunächst ebenfalls an verschiedene Gärtner wie 1885 an Hans Ruggaber, 1893 an W. Schulze, 1896 an Paul Grimm. Das letzte Mal wurde es 1901 an Rudolf Wendt verpachtet. 1906 übernahm Gustav Gensels Sohn, Friedrich Gustav, den Garten.

Friedrich Gustav, 1867 geboren, hatte das Gärtnerhandwerk erlernt und war 1891 nach England übersiedelt. Dort war er über 13 Jahre leitender Landschaftsgärtner und Architekt des Londoner Grafschaftsrates, der über 3000 Hektar Park- und Gartenanlagen zu verwalten hatte. Auf Wunsch seines Vaters kehrte Friedrich Gustav Gensel 1906 nach Grimma zurück und betrieb hier bis 1913 im Grundstück seines Vaters eine Gärtnerei. Ende 1908 vermietete Gensel zwei große Wohnungen in seinem Landhaus mit dazugehörigen Gartenanteilen.

1909 wirbt Friedrich Gustav in der Zeitung mit einem 16 m langen Rosengang (Sorte: Dorothy Perkins-Schlingrose), der gerade in voller Blüte stand, sowie mit der 300 m langen Edelwickenhecke, die 80 verschiedene Sorten aufwies. Für seine Edelwickensorten hatte Gensel 1910 auf der Gartenbauausstellung Liegnitz die große silberne Medaille verliehen bekommen. Eine Goldmedaille erhielt er in Rudolstadt zur Pflanzenneuheitenschau. In Gensels Garten blühten weiterhin über 40 verschiedene Dahliensorten und Penstemon (Bartfaden).
Im März 1914 verkaufte Gensel seine Gärtnerei an den Gartenarchitekten Hans Walter aus Düsseldorf. Die Gärtnerei firmierte aber weiter unter Gänsels Gärtnerei. Das Haus blieb bis 1919 in Gensels Besitz.

1919 bis 1937 übernahmen Mathilde und Elisabeth Wörner aus Rochlitz das Gebäude, um hier eine hauswirtschaftliche Frauenschule (Theresenhaus) mit Mathilde Wörner als Vorsteherin einzurichten. Danach wurde das Gebäude vom Deutschen Frauenwerk als Mütterschule betrieben. Neben dem Theresenhaus baute Ferdinand Walther 1938 ein Gebäude, das zuerst als HJ-Heim und später als Wehrkreiskommando diente. Heute ist hier ein Betreutes Wohnen im DRK Seniorenzentrum untergebracht.

Im Gärtnerhaus hatte Ferdinand Walther seinen Betriebskindergarten eingerichtet. Das Gebäude blieb auch in DDR-Zeiten und darüber hinaus Kindergarten. Der Abriss erfolgte 2005 – ein neues Kindergartengebäude war in der Zwischenzeit auf dem Gelände gebaut worden. Der ehemals große ummauerte Garten beherbergt heute den Kindergarten „Sprungbrett “ und die Kindertagesstätte „Tausendfüßler“. Im ehemaligen Sommerhaus befindet sich eine Praxis für Nuklearmedizin. Von der ehemaligen Pracht des Gartens blieb nichts erhalten. Der kleine Teich auf dem Gelände wurde zugeschüttet und der Garten den neuen Nutzungsbedingungen kindgerecht angepasst.

Herfurthscher Garten am Wallgraben (früher Walterstr. 25, auch Gaststätte Wiesenthal)

Der etwa 3200 m² mit Bruchsteinmauer umgebene Garten wurde Mitte des 18. Jahrhundert von Johann Gottfried Berger angelegt und befand sich auf dem Areal der heutigen Friedrich-Oettler-Straße 7.Berger war durch den Handel mit Wollwaren zu Vermögen gekommen. Im Jahr 1750 wurde er Ratsmitglied. Da er kinderlos blieb, setzte er den Sohn seiner Stieftochter, den Grimmaer Flanellhändler Johann Gottfried August Meyer, zu seinem Universalerben ein. Nach dem Tod Bergers 1771 ging der Garten in dessen Besitz. Nach Meyers Tod 1791 verkauften dessen Erben den Garten an die Witwe des Schulverwalters Carl Christoph Wendt. Von dieser erbte ihn 1822 ihr Sohn aus 1. Ehe, Friedrich Christoph Gensel, welcher ihn 1841 an Johann Carl Friedrich Herfurth verkaufte. Mit der Eröffnung der Gaststätte „Zum Wiesenthal“ im Jahre 1866 durch Carl Maul war der prächtige Garten verschwunden. Der spätere Besitzer Hermann Meyer wirbt im Adressbuch von 1909/10 mit freundlichen Räumen, einer Glasveranda, einer Asphalt-Kegelbahn, einem Konzertpavillon sowie mit einem großen schattigen Garten. Auf den historischen Ansichtskarten vom Wiesenthal sieht man, dass der prächtige Garten den veränderten Nutzungsbedingungen gewichen war. Hohe Bäume bestimmten nun den Gartenbereich. Der Gaststättenbetrieb wurde kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs eingestellt. Bis März 1915 wurden die Räume als Jugendheim, danach durch eine Kompanie des Landsturmbataillons 47 und danach durch das Ersatzbataillon aus Leipzig genutzt. Ab den 1920er Jahren befand sich hier Glasermeister Bruno Werner mit seiner Werkstatt. Bis vor einigen Jahren wurde das Gelände von einer Autoglas-Reparaturwerkstatt „Junited Autoglas“ genutzt und steht seit deren Auszug leer. Zu dieser Zeit befanden sich auf den Torpfeilern noch zwei Vasenaufsätze als Zeugnis der barocken Gartenkultur. Diese sind seit geraumer Zeit verschwunden. Vergleichbare Exemplare haben sich auf den Torpfeilern des Kreismuseums Grimma erhalten.

Die Gattersburg

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestand das Gelände des Pockenberges aus Weinbergen, Hopfengärten, Feld und Lustgärten der Grimmaer Bürger.
Auf dem Gelände der heutigen Gattersburg befand sich der große Weinberg im Besitz von Christian Heinicke, dem Pächter des Hospitalvorwerks. 1785 kaufte der Grimmaer Landrichter Johann Christian Gattert das Gelände und ließ hier 1791/92 sein Landhaus mit Garten errichten.

1819 verkaufte Gattert das Anwesen an den Leipziger Schankwirt Johann Andreas Christoph Förster, der den von Gattert begonnenen Bierausschank bis 1835 fortführte. Die nachfolgende Eigentümerin, eine Leipziger Schankwirtin, ging bereits nach zwei Jahren in Konkurs, und das Grundstück wurde 1837 an die Ratskellerpächterin Christiana Dorothea Neuberg versteigert. Frau Neuberg baute neben der Gattersburg ein neues Gebäude und richtete auch den Garten neu ein. 1839 übergab sie die Gattersburgwirtschaft ihrem Sohn Christian Daniel Neuberg. Die Gastwirtschaft nannte sich nun Neubergs Höhe. Die Gaststätte entwickelte sich zum vornehmsten Vergnügungslokal von Grimma. Nach Neubergs Tod 1847 betrieb seine Witwe die Wirtschaft weiter. 1848 wurde sie Eigentümerin des Gasthauses. Bis 1866 hatte das Grimmaer Offizierskorps dort seinen Mittagstisch.

1866 kaufte der Pächter der Leipziger Bahnhofsrestauration Knauth die Gaststätte. Er kaufte noch ein angrenzendes Stück Feld dazu und errichtete 1867 ein neues Restaurant. Das von Gattert errichtete Landhaus ließ er abreißen und baute an dieser Stelle ein neues Wohngebäude, das später Max Schroeder erwarb.

Knauth besaß das neue Restaurant bis 1881. Im Herbst 1882 schlossen sich 69 Grimmaer Bürger zu einer Aktiengesellschaft zusammen und kauften das Gattersburggrundstück, um das beliebte Lokal für die Stadt Grimma zu erhalten. Von 1883 bis 1905 gab es vier verschiedene Pächter, bis Karl Thiemecke die Restauration für mehrere Jahrzehnte übernahm. Um die Gaststätte legte er einen prächtigen Garten an und bepflanzte den wüsten Bergabhang mit Rosen.

Der Gaststättenbetrieb ging noch bis Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre. 1960 wurde die Umwandlung in ein Kulturhaus diskutiert, aber es blieb bei Umbau/Sanierung der Gaststätte nach den Bedürfnissen der Grimmer Großbetriebe wie MAG und ESG bzw. deren Brigaden mit einer Platzkapazität von 300 Sitzgelegenheiten.

Letzter Betriebsleiter der HO-Gaststätte war Ulrich Ihm, der den Gaststättenbetrieb Ende 1990 wegen lang andauernder Straßensperrungen einstellen musste. Danach zog hier ein Jugendclub und ab 2003 die Elim-Gemeinde ein.

Im Juni 1882 erwarb der Golzener Papierfabrikant Kommerzienrat Max Schroeder das Gelände der alten „Gattersburg“ und ließ sich 1887/88 seinen neuen Wohnsitz, eine Villa im Stil der Neorenaissance erbauen. Außerdem hatte er einen Garten anlegen lassen, der bis zur Mulde hinunter reichte. 1888 erhielt der Garten eine künstliche Ruine aus Natursteinen sowie eine Grotte. Der Garten war parkartig mit Wegenetz und strukturbildendem Gehölzbestand, mit Lindenallee, angelegt. Eine doppelläufige Treppe aus Rochlitzer Porphyrtuff führte zur Mulde hinunter. Die Anlage ist erhalten und auch heute noch von landschaftsgestaltender und überörtlicher gartenkünstlerischer Bedeutung.
Frau Kommerzienrat Paula Schroeder engagierte den aus Schlesien stammenden Gärtner Adolf Köhler als Obergärtner für ihr Anwesen. Köhler wohnte mit seiner Frau Emma und den Kindern bis zirka 1920 in dem zum Schroederschen Besitz gehörenden Schweizerhaus, das von Gewächshäusern umgeben war. Für die zahlreichen Festivitäten im Hause der Frau Kommerzienrat lieferte er u.a. auch den Blumenschmuck.

In DDR-Zeiten und bis zum Anfang der 1990er Jahre beherbergte das Gebäude einen Kinderhort, danach einen Freizeittreff. Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Gebäude unter Denkmalschutzauflagen gründlich saniert und 1997 wieder als Gaststätte eingerichtet. Das große Gartengelände ist Dank Frau Dr. Aline Hanschmann wieder in einen sehr guten Zustand gebracht worden.
Diese Villa von Max Schroeder trägt heute den Namen „Schloss Gattersburg“. Leider ist sie seit geraumer Zeit geschlossen – kann aber für Veranstaltungen gemietet werden.

Wenn auch bis auf den Gattersburgpark alle anderen Gärten verschwunden sind, weist doch das Altstadtgebiet von Grimma bis heute sehr viele Grünflächen auf. Angefangen von der Schwanenteichanlage, über den zunehmend schöner werdenden Wallgraben, bis hin zum Tempelberg, dem Muldenufer und dem Stadtwald. Seit einigen Jahren wird unter Federführung von Frau Annett Antonia Gräske im Juni der Tag der offenen Gartenpforte veranstaltet. An diesem Tag öffnen auch die Bewohner der Stadt Grimma ihre Gärten für interessierte Besucher. So erstaunt es immer wieder, was auf kleinstem Raum für schöne Gartenparadiese entstanden sind.