Grimma diente auch Pionieren der Luftfahrt als Heimat, das beweist dieser Herr. Baron Otokar Theodor Arno Bradsky von Laboun wurde am 4. Mai 1866 in Zwickau geboren. Sein Vater war der kgl. Truchsess Franz Victor Bradsky von Labuon auf Schloß Cotta bei Pirna. Nach Abschluss seiner Schulausbildung in Cotta trat er 1886 als Fähnrich in das hiesige Husarenregiment Nr. 19 ein. Als Angehöriger der 2. Eskadron zunächst in Bad Lausick stationiert, kam er mit der Verlegung des Truppenteils 1893 nach Grimma. Als begeisterter wie auch begabter Reiter machte er sich durch zahlreiche lokale, wie überregionale Wettkämpfe schnell einen Namen. So ist er 1894, gemessen am Preisgeld von 14888 Mark, der vierterfolgreichste Offiziersreiter im Kgr. Sachsen gewesen. Allein der Gewinn des großen Hamburger Offiziers-Jagdrennens 1897 brachte ihm 9000 Mark an Preisgeld ein. Im Jahre 1898 wurde er als Reitlehrer an die Reitschule in Hannover abkommandiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte er es bei den Grimmaer Husaren bis zum Oberleutnant bzw. Adjutanten gebracht. In dieser Zeit bereiste Baron von Bradsky mehrere ferne Länder wie China, Japan und Indien. Am 31. März 1900 übernahm er einen Posten als Botschaftssekretär der kgl. sächs. Gesandtschaft in Weimar, aber noch im selben Jahr nahm er seinen Abschied, um sich seinem Kindheitstraum, der Eroberung der Lüfte, zu widmen.
Zu diesem Zweck nahm sich der frisch Vermählte 1900 eine Wohnung in der Champ-Elysée in Paris, dem Zentrum aller Aeronauten der Zeit. Prinzipiell betrachtete er den Motorflug als ideal, war aber wie die meisten seiner Zeitgenossen der Meinung, dass man hierzu technisch noch nicht in der Lage sei. Somit stellte das Luftschiff aus seiner Sicht ein notwendiges, wenn auch unvollkommenes, Bindeglied dar um den Traum vom Fliegen zu erreichen. Anders als sein ungleich bekannterer Mitstreiter Graf Zeppelin, der ein starres System bevorzugte, hielt er jedoch an dem vom Ballonflug bekannten System von Hülle und Gondel fest. Noch im selben Jahr trat Bradsky in den Pariser Aeronautenclub ein und forcierte den Bau eines Luftschiffes. Hier lernte er auch seinen späteren Partner, den frz. Ingenieur Henry-Paul Morin, kennen.
Im April 1901 erhielt die angesehene Ballon-Werkstatt von Henri Lachambre im Pariser Vorort Vaugirard den Auftrag zur Erstellung der Hülle aus japanischer Seide. Lachambre, selber Ballonfahrer, fertigte auch die Hüllen für bekannte Luftschiffer wie Severo, Andrée und Santos Dumont. Die Gondel fertigte das Pariser Ingenieurbüro Risacher & Herbert. Die Zeit bis zur Fertigstellung verbrachten Bradsky und Morin mit ausgiebigen Tests des geplanten Schraubenantriebs. Finanziert wurde die Unternehmung zum größten Teil von seinem Vater über die Renditen des Rittergutes Großcotta und die seines Bruders Rudolf vom Rittergut Thürmsdorf.
Der Grundgedanke der Konstruktion bestand darin, einen Langballon in solcher Größe herzustellen, dass sich sein Auftrieb mit dem Gewicht des Zubehörs, der Bemannung und Nutzlast ungefähr im Gleichgewicht befände. Der Auf- oder Abstieg sollte durch die Wirkung einer vertikalen Schraube erfolgen, während eine horizontale Schraube als Antrieb gedacht war. Da die vorhandenen Schrauben in ihrer Leistung die Erbauer nicht überzeugten, entwickelte Bradsky eine eigene, welche er sich auch patentieren ließ. Von seiner eigenen Erfindung überzeugt, hoffte er, noch im selben Jahr die ersten Flugversuche machen zu können. Zu seinem großen Ärger verschlang allerdings der Bau der Gondel mehr Zeit und Geld als im lieb war. Zudem erwies sich die Gondel nach ihrer Auslieferung als vollkommen untauglich. So konnte man im November 1901 nur die Ballonhülle testen, bevor der kommende Winter zu einer Pause zwang. An der behelfsmäßig ausgebesserten Gondel konnte man immerhin erste Versuche der Komponenten, wie Motor, Getriebe und Schraube, vornehmen. Erfolgreich widmete er sich auch dem Problem, zu verhindern, dass sich die Hülle durch Gasaustritt am Motor entzündet. Der brasilianische Flugpionier und Freund Bradskys, Augusto Severo, kam 1902 eben dadurch ums Leben.
Die in drei Gaszellen aufgeteilte Hülle war 34 m lang und hatte einen Rauminhalt von 850 Kubikmeter. Sie wurde mit Wasserstoff gefüllt. Die Gondel war mittels 50 Klaviersaiten, von denen jede eine Zugwirkung von 125 kg aufnehmen konnte, an der Hülle befestigt. Sie war ca. 20 m lang und nahm in ihrer Mitte einen 16 PS Motor von Buchet auf, welcher wahlweise die Horizontal- oder die Vertikalschraube antrieb. Insgesamt wog das Luftschiff beim Start, inklusive der Fahrer und des Ballasts, 977 kg. Danach hatte der Lenkballon ein Übergewicht von etwa 95 kg und es galt, dieses mittels der Hubwirkung der Vertikalschraube zu heben.
Am 13. Oktober 1902 war der Tag des ersten Flugversuches gekommen. Hauptziel war die Leistungsfähigkeit der zum Patent angemeldeten Schraube zu beweisen. Um 7.30 Uhr wurde das Fahrzeug aus der Halle gebracht.
Hier zeigte sich schon das erste Problem, da die einzelnen Gaszellen untereinander undicht waren und damit ihren Zweck nicht mehr erfüllten. Sie sollten das Gas möglichst gleichmäßig auf die gesamte Hülle verteilen, da eine Konzentration an einem Punkt das Luftschiff aus dem Gleichgewicht bringen würde. Allerdings schien die Hülle nach Augenschein stabil zu sein, so dass man sich dazu entschloss, mit dem Flugversuch fortzufahren, zumal abermals eine Zwangspause durch den kommenden Winter drohte. Zunächst wurde das Luftschiff mit Bradsky an den Halteleinen ca. 30 m hoch gelassen um das Funktionieren von Motor und Schrauben vor dem eigentlichen Flug zu überprüfen. Nach erfolgreichem Test nahm etwa zwanzig Minuten später auch Morin in dem Luftschiff Platz. Nun erfolgte inmitten von zahlreichem Publikum, darunter zahlreiche Mitglieder des Aeronautenclubs und Bradskys Frau, der eigentliche Aufstieg. Während das Luftschiff ruhig und gleichmäßig stieg, offenbarte sich bald ein weiteres Problem. Ursprünglich war geplant, zu dem Manöverfeld Issy-les-Moulineaux zu fliegen, um dort weitere Versuche mit der Schraube durchzuführen. Nun zeigte sich, dass das ungünstig hinter der Hülle plazierte Seitenruder und die Vortriebskraft der Antriebsschraube nicht stark genug waren, um das Luftschiff richtig zu steuern. Der Lenkballon trieb schon durch mäßigen Wind in die entgegengesetzte Richtung ab. Sein Weg führte ihn über Montmartre und St. Denis bis in den Pariser Vorort Stains. Hier beabsichtigte Bradsky zu landen und fragte gegen 11 Uhr mittels Megaphon einen Anwohner nach einem günstigen Landeplatz. Als die Luftschiffer den angewiesenen Platz erreichten, befanden sie sich noch in einer Höhe von ca. 100 Metern und leiteten die Landung ein. Aus ungeklärter Ursache verschoben sich aber Ballon und Gondel immer weiter aus der Achse. Dieser Verdrehung war die Aufhängung nicht gewachsen und die Drähte rissen von vorne nach hinten auf. Während die Gondel mit ihren Insassen im 45° Winkel nach unten stürzte, erhob sich die von ihrer Last befreite Hülle. Bradsky war, vom Motor erschlagen, auf der Stelle tot. Morin erlag wenige Minuten später seinen inneren Verletzungen.
Einen Tag nach dem Unglück berichteten alle großen Tageszeitungen, darunter beispielsweise die New York Times, über die Geschehnisse vom 13. Oktober. Bradsky und Morin waren die letzten Opfer eines für die Luftfahrt unglücklichen Jahres. Zuvor waren Bartsch von Sigfeld, ein französischer Marineoffizier und Augusto Severo tödlich verunglückt. Einige Pariser Zeitungen forderten nun sogar das Verbot für sämtliche Flugversuche. Über die möglichen Absturzursachen wurde viel spekuliert und dabei viele widersprüchliche Angaben verbreitet. Eine Hauptursache wurde in der mangelnden Flugerfahrung der Verunglückten gesehen. Baron Bradsky hatte vor dem Unglück nur zwei Aufstiege mit einem Ballon gemacht. Allerdings übersah man, dass Paul Morin schon seit 15 Jahren Ballonfahrten unternahm. Weil er jedoch nur an drei Fahrten des Pariser Aeronautenclubs teilgenommen hatte, unterstellte man auch ihm Unerfahrenheit, da man die Fahrten außerhalb des Clubs nicht zählte. Man darf auch nicht vergessen, dass man in der Pionierzeit der Luftfahrt ab einem gewissen Punkt weitere Erfahrungen nur über praktische Versuche sammeln konnte.
Eine weitere Ursache vermutete man in der Bauweise des Luftschiffs. An der Stärke der Klaviersaiten kann es allein aber nicht gelegen haben, da die Zugwirkung von 125 kg sehr hoch gewählt war. Ein anderer Flugpionier der Zeit, Santos Dumont, der bis 1901 zehn Luftschiffe baute, nutzte beispielsweise Drähte welche nur einer Zugwirkung von 40 kg widerstanden. Von ihm stammte nach eigener Aussage auch die Idee, Drähte statt Seile zu benutzen. Die Ursache wurde demnach auch einzig in der Verdrehung des Luftschiffs und der Befestigungsart der Drähte gesucht. Diese waren mittels von sogenannten Gänsefüßen an der Hülle angebracht, was bedeutete, dass sie sich an ihren oberen Enden wie ein Y aufspalteten. Die Ösen am Fuß der Auftrennung schienen das schwache Glied zu sein, von denen aus die Drähte aufrissen. Die genaue Absturzursache konnte jedoch nie eindeutig geklärt werden. Die zahlreichen vor dem Flug durchgeführten Versuche zeigen aber, dass man Bradsky und Morin zumindest keine Leichtsinnigkeit vorwerfen kann.
Auch wenn der einzige Flug des Luftschiffes in einer Katastrophe endete, war die Bedeutung von Bradsky und Morin für die Luftfahrt immerhin groß genug, um ihnen 1907 an der Unglücksstelle in Stains ein Denkmal zu setzen. Der vom französischen Aeronautenclub aufgestellte Obelisk machte zugleich darauf aufmerksam, dass bereits 1783 an gleicher Stelle ein Ballon der Gebrüder Montgolfier abstürzte. In der Gedächtnisrede zur Denkmalseinweihung erinnerte man daran, dass die Idee Bradskys und Morins am Ende siegreich geblieben sei, denn im selben Jahr wurde das erste brauchbare französische Luftschiff von Lébaudy in Dienst gestellt. Bernhard von Schönberg, der Sohn des bekannteren gleichnamigen sächsischen Verwaltungsjuristen, hielt die Dankesrede für die erteilte Ehrung in Vertretung der Familie Bradsky-Laboun. Der Leichnam Bradskys wurde bereits 1902 nach Cotta überführt und dort am 24. Oktober unter großer Anteilnahme beerdigt. Sein Grab, ein Findling mit seinen Lebensdaten, existiert noch heute auf dem Cottaer Friedhof, allerdings unter teilweisen Verlust der bronzenen Inschrift.
Peter Fricke, 2015