Kindheit in Grimma

23.7. bis 12.11.2023

Am Sonntag, dem 23. Juli, eröffnet das Kreismuseum Grimma um 15.00 Uhr seine neue Sonderausstellung.
Vor einigen Monaten hatte das Museumsteam in der Presse dazu aufgerufen, mit Leihgaben und kleinen Geschichten die Ausstellung „Kindheit in Grimma“ zu bereichern. Die Resonanz war sehr verhalten. Umso größer war die Freude, als der Fotograf Manfred Pippig nicht nur mit seinen verschriftlichten Kindheitserinnerungen ins Museum kam, sondern auch gleich noch die entsprechenden Fotos und Spielsachen mitbrachte. Manfred Pippigs Vater war ebenfalls Fotograf und hat demzufolge auch im privaten Umfeld viel fotografiert. Anhand von Fotos werden Erinnerungen wach gehalten, so dass es unserem Leihgeber nicht allzu schwer fiel, seine kleinen Berichte zu verfassen.
Manfred Pippig wurde mitten im 2. Weltkrieg geboren. Seine Erinnerungen reichen bis ans Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Es waren die schweren Nachkriegsjahre, die von Lebensmittelknappheit, Kohlenmangel und Entbehrungen gekennzeichnet waren. Aber das waren nicht die Sorgen eines Kindes. So enthalten die Berichte heitere Episoden und widerspiegeln die Liebe zur Heimat. Er berichtet z.B. von den sonntäglichen Ausflügen:
„Sonntags machten wir immer einen Spaziergang und da wurden wir Kinder immer fein herausgeputzt. Ich hatte einen weißen Anzug und die Schwestern bekamen Schleifen in die Haare. Manchmal, wenn Mutti Zeit hatte, bekamen sie auch Schlangenlocken gemacht. Mutti hatte das gelernt. Die Zangen wurden über einer Flamme heiß gemacht, dann an einem Stück Zeitung ausprobiert. Wenn die Zeitung schwarz wurde, waren die Zangen zu heiß, da musste Mutti blasen. Waren sie gut, wurden die Haare um die Zangen gedreht. Das sah toll aus und die Mädchen haben sich gefreut.
Eine beliebte Wanderung war über Böhlen in Richtung Nerchau. Mit der Fähre über die Mulde und mit der Muldentalbahn zurück nach Grimma. Ein anderer Ausflug war eine Wanderung zur Schaddelmühle. Der Weg führte von Nimbschen über die sieben Berge nach Schaddel. Dort haben wir dann immer das Haus vom Schneeweißchen gesucht. Das sollte ja hinter den sieben Bergen sein. Aber so richtig gefunden haben wir es nicht. In der Schaddelmühle gab es, wenn wir Glück hatten, eine Bockwurst und eine Limonade. Vater hatte sein Taschenmesser mit und schnitzte eine Wassermühle. Zwei Astgabeln, eine Achse und zwei Schaufeln und fertig war das Wasserrad. Wir freuten uns immer, wenn es sich schnell drehte.“
vom Benzinauto:
Es war so um das Jahr 1949. In Grimma war Jahrmarkt. Reitschulen waren aufgebaut. Die großen Holzpferde bei Ringels Karussell beeindruckten. Ein Riesenrad drehte sich. Aber am schönsten war die große Karussellorgel. Alles ging automatisch, die Figuren bewegten sich. Einer schlug die Trommel, einer dirigierte, einer hatte zwei große Stürzen in der Hand. Da konnte ich lange zuschauen. Aber mitfahren wollte ich dann doch nicht. Auf dem Pferd sitzen bei Ringels war dann doch schöner. An einem anderen Stand war ein Mann, der röstete Bratwürste, das war was Besonderes. Das gab es sonst nicht. In einer anderen Bude war die Familie Schirmeister, die ihren Laden in der Hohnstädter Straße hatte. Dort waren lauter schöne Dinge aufgebaut. Auch ein Benzinauto aus Blech. Das war wunderschön. Das hätte ich gerne gehabt. Aber das war teuer. Ich war immer wieder dort und habe es mir angeschaut, was nicht unbemerkt blieb. Schließlich sagte Vater: „was ist dir lieber: entweder die Bratwurst oder das Auto?“ Das war eine schwere Entscheidung. Eine Bratwurst hätte ich ja auch gerne mal gegessen. Aber dann siegte das Benzinauto. Stolz habe ich es nach Hause getragen, gehütet wie einen Schatz. Später dann, es war Sommer: Auf unserem Hof war ein großer Sandhaufen und der wurde immer wieder umgestaltet, Straßen gebaut, Brücken und Tunnel. Eines Tages hatte ich doch das Auto im Tunnel vergessen. Dann kam Regen, der Tunnel stürzte ein. Als das Wetter wieder schön und der Sandhaufen wieder bearbeitet wurde, kam auch das Benzinauto hervor. Oh, wie sah das aus. Die Farbe war ab und überall Rost. Das war schlimm. Weinend bin ich zur Mutti. Aber die konnte auch nicht helfen. Zuerst habe ich allen Sand abgewaschen, aber es sah trotzdem schlimm aus. Da kam mir eine Idee. Mutters Bruder war ja Maler und wohnte in der Querstraße. So nahm ich das Auto und ging zu ihm. Onkel Alfred, kannst du mir das Auto wieder anmalen? Der Onkel erkannte auch gleich das Problem und nahm das Auto. Nach ein paar Tagen konnte ich es dann wieder abholen. Stolz habe ich es nach Hause getragen und künftig besser auf das Auto aufgepasst. Das Auto habe ich noch heute. Die Bratwurst ist längst vergessen.
von den Graffitikünstlern:
Oft spielte ich mit meiner Cousine zusammen. Sie wohnte mit im Haus und war nur ein Jahr jünger als ich. Oft malten wir Vierecke auf das Pflaster im Hof, damit wir Himmelhuppe machen konnten. Das war ein guter Zeitvertreib. Doch eines Tages kam meine Cousine auf die Idee, dass man mit der Kreide auch Kunstwerke schaffen kann. Und wie es seit Jahrtausenden schon ist, Eva verführt Adam. Und so gingen wir auf die Gasse und bemalten die Hauswand von unserem Nachbarn. Das sah lustig aus. Doch auf einmal kam Frau Meutzner und bemerkte unser künstlerisches Treiben. Sie aber hatte wenig Kunstsinn und so kam sie wutschnaubend in unseren Laden und beschwerte sich über uns. Also bekamen wir einen Eimer mit Wasser und zwei Bürsten und mussten unser Kunstwerk wieder entfernen. Die Leute, die vorbeigingen, hatten für uns nur ein hämisches Grinsen übrig. Keiner verstand uns. So geht es einem, wenn man als Künstler missverstanden wird. Wir haben das nie wieder gemacht. Wie schön wäre es, wenn man mit den heutigen Schmierfinken genauso umgehen würde. Grimma würde bestimmt ein ganzes Stück schöner aussehen.

Neben diesen ganz persönlichen Texten gibt die Ausstellung Auskunft über die Kindheit in Grimma während der Zeit des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und der DDR. Viele Kinderfotos bereichern die Präsentation. Interessant ist hierbei die Entwicklung der Kleidung und mit welchen Spielsachen die Kinder früher spielten. Die verschiedenen Spielzeuge sind natürlich auch ein Hauptthema. Dank der umfangreichen Spielzeugsammlung des Museums können hier eine ganze Reihe interessanter Exponate gezeigt werden.
Vielleicht fallen dem einen oder anderen Grimmaer noch kleine berichtenswerte Episoden aus ihrer Kindheit ein? Auch wenn diese dann nicht mehr in der Ausstellung Platz finden werden, so sind sie doch erst einmal für die Nachwelt festgehalten. Das Gästebuch des Museums kann ebenfalls gern mit Geschichten gefüllt werden.
Die Ausstellung ist bis zum 12. November 2023 im Kreismuseum Grimma zu sehen.