27.11.2016 bis 26.2.2017
Indianer aus Masse oder später Gummi waren früher ein beliebtes Weihnachtsgeschenk für Jungs. Mit diesen Figuren wurde im Kinderzimmer aber noch lieber im Sandkasten gespielt, so auch von unserem Sammler Uwe Kertscher. Seine Sammlung mit Wild-West-Figuren aus der ehemaligen DDR hat er jedoch erst in den letzten 20 Jahren zusammengetragen. Diese wird nun erstmals in einer Ausstellung präsentiert.
Die ersten heute bekannten Indianer-Massefiguren stammen aus dem Erzgebirge. Sie sind im Katalog der Spielwaren-Fabrik V. A. Grundmann von 1870 abgebildet.
Massefiguren wurden zu der Zeit schon längst in Thüringen und im Erzgebirge hergestellt, beides waren und sind große Spielzeugzentren mit einer traditionsreichen Vergangenheit. Die Massefiguren hatten einen hohen Anteil an Roggenmehl, Papiermaché und Gips und waren wenig widerstandsfähig. Jeder Hersteller hatte sein eigenes wohl gehütetes Rezept, das oft in Familientradition weitergegeben wurde. So genannte Brotteigfiguren mit einem hohen Mehlanteil hatten zudem den Nachteil, dass häufig Mäuse oder Holzwürmer an den Figuren nagten und dadurch nur wenige von ihnen die Zeit überlebten.
Die Spielfiguren mussten, im Unterschied zu den im Weihnachtsberg oder auf der Pyramide aufgestellten Krippenfiguren, widerstandsfähiger gegen manuelle Beanspruchung sein. Mit den Masse-Indianern wurde nicht nur im Kinderzimmer, sondern auch im Sandkasten gespielt. Der feuchte Sand ließ die Masse aufquellen und die Figuren fielen auseinander.
Für die Spielfiguren im Wildwestbereich wurde daher viel zum Thema Masse experimentiert. Sägemehl und Leim als Zusätze brachten eine erhöhte Stabilität. Ein Durchbruch gelang um 1910 der Wiener Firma Emil Pfeiffer, die Kaolin zusetzte und die Metallform erhitzte, so dass durch Druck und Hitze eine fast unzerbrechliche, plastische Hartmasse entstand. Oskar Wilhelm Wiederholz entwickelte beispielsweise für die Lineol-Figuren eine spezielle Masse, in der außerdem Leinöl und Baumharz enthalten waren.
Für die Herstellung gab es verschiedene Verfahren wie Drücken, Pressen oder Gießen. Das Prinzip war immer gleich: Die Masse wurde in eine zweiteilige Form eingebracht, oft noch durch Drahteinlagen stabilisiert, gepresst, aus der Form genommen, getrocknet, entgratet, grundiert und bemalt. Die meisten dieser Arbeiten erfolgten in Heimarbeit.
Als im März 1959 die Firma Anton Röder (Lisanto) die ersten Kunststoff-Indianer beim Patentamt als Geschmacksmuster anmeldete, begann eine neue Ära für die Spielzeug-Indianer.
Als Ausgangsmaterial wurden Weich-PVC-Abfälle aus der Puppenindustrie genutzt. Ein Kunststoffgranulat bildete die Grundlage für das Spritzgussverfahren. Diese Gummi-Indianer hatten eine viel längere Lebensdauer als ihre Vorgänger aus Masse. Sie waren stoß- und schlagsicher, außerdem feuchtigkeitsresistent.
Ein zweiter Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Hobby der Indianistik in der DDR. Bereits 1956 wurde in Radebeul die erste offizielle „Kulturgruppe für Indianistik“ registriert. Johannes Hütter, alias „Powder Face“, schaffte es damals im Rahmen des Kulturbundes, offiziell diese Kulturgruppe zu gründen.
Einen großen Zustrom erlebten die Indianerklubs allerdings erst rund zehn Jahre später. Bis 1989 gab es rund 50 verschiedene „Kulturgruppen zur Pflege des indianischen Brauchtums“ mit mehr als 1.000 Mitgliedern.
Mit „Die Söhne der großen Bärin“ hatte Liselotte Welskopf-Henrich bereits 1951 den wohl populärsten Indianerroman der DDR geschrieben, doch erst 1966 durfte die DEFA das Buch auch verfilmen. In der Hauptrolle des jungen Häuptlings Tokei-Ihto brillierte der Jugoslawe Gojko Mitic, der nach dem immensen Erfolg des Films zum größten Filmstar der DDR wurde. Weitere Indianerfilme sollten folgen.
Gojko Mitic besuchte wiederholt die Stadt Grimma, um am großen Pow-Wow teilzunehmen. Dazu eingeladen wurde er von Jörg Diecke. Jörg Diecke ist seit vielen Jahrzehnten Mitglied des Indianerklubs „Crow – Agentur“ und hat im Laufe der Zeit viele Alltagsgegenstände indianischen Brauchtums zusammengetragen. Ein Ausschnitt seiner Sammlung ist in der Ausstellung zu sehen.