Nachdem man das Kriegsgefangenenlager Golzern Ende März 1917 wegen Unwirtschaftlichkeit schloss, standen die Gebäude zunächst leer. Als Anfang November 1918 der Waffenstillstand proklamiert wurde, reaktivierte man das Lager noch einmal, um die unzähligen Gefangenen geordnet in ihre Heimatländer zurückführen zu können.
Durch den Zusammenbruch der inneren Ordnung nach der Revolution kam es zu einem Machtvakuum und vielerorts übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte die Verwaltung ohne jedoch ihre Aktivitäten zu koordinieren. Das führte dazu, dass der Soldatenrat des Chemnitzer Kriegsgefangenenlagers den Gefangenen voreilig mitteilte, das sie keine Gefangenen mehr und frei von Arbeitszwang seien. Diese legten daraufhin die Arbeit nieder und da sie nun auch ohne Bewachung in den umliegenden Ortschaften umherstreiften, kam es vermehrt zu Diebstählen. Die Arbeiter- und Soldatenräte erkannten zwar schnell ihren Fehler, aber die Kriegsgefangenen ließen sich, einmal vom Zwang befreit, nicht wieder zur Arbeit bewegen. Nachdem zunächst die englischen und französischen Kriegsgefangenen die Arbeit niederlegten, streikten wenige Tage später auch die Russen. In den Bornaer Kohlenrevieren herrschte dadurch mit einem Schlag ein Mangel an etwa 3.000 Arbeitern. Das hatte zur Folge, dass die Abraumbetriebe still standen und die Brikettfabrikation in den großen Werken um ca. 70 Prozent, in den kleineren um etwa die Hälfte, sank. Auch bereits geförderte Kohle konnte mit den wenigen verbliebenen deutschen Arbeitern nicht mehr effektiv verladen werden, was zu einem erheblichen Kohlenmangel in den folgenden Monaten führte.
Obwohl die Militärverwaltung alle Arbeitgeber von Kriegsgefangenen dazu aufforderte diese in ihren Arbeitskommandos zu belassen, pilgerten Tausende zum Kriegsgefangenenlager Chemnitz, da sie auf ihren Kommandos nur noch unzureichend versorgt wurden. Natürlich war das Chemnitzer Stammlager mit diesem plötzlichen Ansturm völlig überfordert und ein rascher Platz- und Lebensmittelmangel war die Folge. Um die Lage zu entspannen und die Gefangenen aus den vielen Arbeitskommandos für die Rücktransporte zu sammeln, nutzte man nun die noch vorhandene Infrastruktur in Golzern.
Anfang Dezember waren wieder über 1.500 französische und englische Gefangene im Lager zusammengeführt, die fast ausschließlich zu den Streikenden aus den Bornaer Kohlenrevieren gehörten. Allerdings waren sowohl Bewachung wie auch Versorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln mangelhaft, so dass vor allem die später ins Lager gebrachten Russen bettelnd in der Umgebung umherzogen.
Im Dezember 1918 war der Leiter des VIII. Kontrollbezirkes (Grimma), Hauptmann Klapproth in der Lage, die Rücktransporte alliierter Kriegsgefangener zu organisieren. Am 9. Dezember wurden die ersten 1.000 Engländer in Richtung Heimat abtransportiert. Der Abtransport der letzten, meist russischen Gefangenen, erfolgte Ende Januar 1919.
Peter Fricke, 2017