1.5. bis 30.7.2016
Zu sehen ist eine reiche Anzahl an kleinen Theaterbühnen aus Papier, die in der Zeit um 1900 entstanden sind.
Ein zweiter Schwerpunkt der Ausstellung ist dem Thema Märchen gewidmet. Gezeigt werden verschiedene klassische Märchendarstellungen der Brüder Grimm und von Hans Christian Andersen. Die jüngsten Besucher können auf Entdeckungsreise gehen: sie sollen herausfinden, welche Märchen im Haus verteilt dargestellt sind. Dazu erhält jedes Kind einen Fragebogen. Wurden alle Märchendarstellungen richtig erkannt, geht der Fragebogen mit ein zur Verlosung. Die Gewinner erwartet am 31.7.16 um 15.00 Uhr ein märchenhaftes Geschenk.
Als einer der Erfinder des Papiertheaters gilt der Augsburger Kupferstecher Martin Engelbrecht (1684 -1756). Er produzierte zunächst großformatige Guckkastenbilder für professionelle Guckkasten-Wanderschausteller. Dann kam er auf die Idee, die Bilder zu verkleinern und sie auch Privatkunden anzubieten. Diese in Pappmappen angebotenen Miniatur-„Dioramen“ gelten als früheste Beispiele des Papiertheaters.
Die Erfindung der Lithographie durch Alois Senefelder Ende des 18. Jahrhunderts beförderte die Produktion farbiger Druckerzeugnisse jeglicher Art, wovon auch das Papiertheater profitierte.
Es entstand parallel zur Entwicklung des Theaters als Miniaturausgabe der großen Bühne. Es wurde ab dem Jahre 1810 gleichzeitig in Deutschland und England als Ausschneidebogen produziert und verlegt. Andere europäische Länder zogen später nach und präsentierten diese Minitheater unter den Namen „Juvenile Drama“, „Dukketeatret“, Théâtre de papier“ oder Teatros de los“.
Im Zeitalter des Biedermeiers gehörten diese Ausschneidebögen zur sogenannten „Bilderbogenkultur“. Sie durften in keinem bürgerlichen Haushalt fehlen.
Zu den wichtigsten Produzenten von Papiertheatern gehört der 1831 gegründete und bis heute aktive Verlag J. F. Schreiber in Esslingen, der auch mit Verwandlungsbüchern, Ausschneidebögen, Bilderbüchern und Unterrichtsmaterialien weltweit erfolgreich ist. Das erste bewegliche Papiertheaterbuch von Schreiber erschien 1864.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelte sich das Papiertheater zum Kindertheater, in dem zunehmend Märchen aufgeführt wurden. Es wurde im familiären Rahmen vor vielleicht 10 Personen im Wohnzimmer bespielt. In der fertigen Größe erreicht das Theater etwa die Dimension eines mittelgroßen Fernsehers. Alle Teile wie Bühnenfront (Proszenium), Vorhang und Seitenkulissen, die Figuren und Versatzstücke mussten erst ausgeschnitten, dann nach Vorgabe gefaltet und mit Führungsstäben bzw. Haltern aufrechtgestellt werden. Als Beleuchtung übernahmen damals häufig Kerzen diese nicht ganz gefahrlose Aufgabe.
Diese Bilderbogen wurden vorwiegend von bürgerlichen Schichten zur Erbauung, Unterhaltung und Erziehung der Kinder gekauft und genutzt. Die Papiertheater waren Symbol und Identifikationsmedium der Theaterbegeisterung der Bürger, die die Oper und das Schauspiel gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für sich entdeckten.
Sie brachten klassische und aktuelle Theaterstoffe wie Märchen, Schauspiele und Opern in die adeligen und bürgerlichen Kinderzimmer und waren damit ein wichtiges Medium für die frühe Vermittlung von ursprünglich mündlich tradiertem, volkstümlichem wie literarisch-bürgerlichem Bildungsgut. Das zumindest teilweise Auswendiglernen der gereimten Texte dürfte diese Funktion noch verstärkt haben. Während Väter und Söhne Regie führten und schauspielerten, blieb den Mädchen meist nur die Rolle des Zuschauers.
Nach 1918, auch mit der Entwicklung von Radio und Fernseher, geriet das Papiertheater als Vermittlungsinstrument für Bildung zunehmend in Vergessenheit. In jüngster Zeit erlebt es jedoch eine Renaissance.