Der Grimmaer Ballonfahrer Kurt Held

Am 3. April 1910 unternahm der Besitzer der Grimmaer Seifenfabrik, Kurt Held, seine erste Ballonfahrt und war von dieser so begeistert, dass er beschloss, Mitglied im Bitterfelder Verein für Luftschiffahrt zu werden. Der ursprünglich aus Delitzsch stammende Unternehmer kam vermutlich über dortige Kontakte zur Ballonfahrt. Seine erste Fahrt war gleichzeitig die Jungfernfahrt des Ballons „Delitzsch“, der bereits bei der zweiten Fahrt schwer verunglückte und seine vier Insassen in den Tod riss.

Als Held 1910 Schützenkönig wurde, übernahm er gleichzeitig die Leitung der Schützengesellschaft und führte diese bis zum Kriegsbeginn zu neuer Blüte. So organisierte er Anfang Juli 1911 mit Hilfe seines Freundes Dr. Giese aus Bitterfeld zum Schützenfest einen Ballonaufstieg in Grimma. Zu diesem Zweck wurde seitens der hiesigen Gasanstalt von der Hennigstraße (Friedrich-Oettler-Str.) bis zum Schützenhaus (ehm. Volkshaus) eine provisorische Gasleitung verlegt, um den Ballon „Delitzsch II“, der u.a. aus den Resten des Unglücksballons „Delitzsch“ gemacht wurde, zu befüllen. Obwohl man hiermit schon am frühen Morgen begann, war der Ballon gegen 11 Uhr erst zur Hälfte gefüllt. Die Zeit bis zum Aufstieg überbrückte die Husarenkapelle, auch zum Befüllen selbst wurden die Husaren herangezogen. Gegen 14 Uhr wurde der Ballon nur noch von ca. 20 kräftigen Husaren am Aufstieg gehindert und wartete auf die Abfahrt. Für 30 Pfg. durften Besucher die Schützenwiese betreten. Eigentlich waren mehrere Aufstiege geplant, aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit fand nur ein einziger vor der eigentlichen Fahrt statt. An der Fahrt, die letztlich in der Nähe von Finsterwalde (Lausitz) endete, konnte Held jedoch aufgrund einer Verletzung nicht wie geplant teilnehmen. Er wurde durch Fritz Heyde, den Inhaber des bekannten Textilgeschäftes in Grimma, ersetzt und der war wie zuvor Curt Held derart begeistert, dass er sich fortan häufiger an Aufstiegen beteiligte. Schon ein Jahr später organisierte Held zum Brunnenweih- und Blumenfest (Einweihung des Marktbrunnens) an gleicher Stelle wieder Ballonaufstiege in Grimma.

Spätestens seit April 1912 lässt sich Held als Ballonführer nachweisen. Relativ schnell bildete sich ein ganzer Kreis von Ballonsportbegeisterten aus Grimma. Neben seiner Frau gehörten diesem der schon erwähnte Fritz Heyde, der Lehrer Ernst Schulze nebst Frau, der Dienstmann Eckelmann, der Kaufmann Max Rost und der Zigarrenfabrikant Max Raue an. Besonders seine Frau Margarete und Fritz Heyde beteiligten sich an mehreren Fahrten.

Im März 1913 unternahm Kurt Held mit seinem Freund Dr. Giese von Bitterfeld aus eine Fernfahrt, die sie bis nach Brälanda (Schweden) am Venersee führte. Dabei flogen sie 780 km weit und davon ca. 400 km über das Kattegat. Insgesamt dauerte die Fahrt knapp 15 Stunden, etwa acht davon über offener See.

Held beteiligte sich auch aktiv an Wettfahrten, von denen sich vier nachweisen lassen. Beim Luftschiffertag in Leipzig erhielt er im Oktober 1913 im Ballon „Niederschlesien“ den 2. Preis.

Mitte Mai 1914 hat er seine letzte Fahrt in Friedenszeiten unternommen, welche ihn von Bitterfeld bis in die Eifel führte. Insgesamt unternahm Held in der kurzen Spanne zwischen April 1910 und dem Kriegsausbruch mindestens 24 Fahrten. Seine weiteste Fahrt war über 780 km lang; seine Kürzeste, wegen eines Gewitters abgebrochen, gerade einmal 20 km. Insgesamt legte er etwa 4.500 km zurück. Auch die Dauer seiner Fahrten variierte beträchtlich, was nicht nur auf die gefahrenen Kilometer zurückzuführen ist, sondern auch auf die in unterschiedlichen Höhen vorherrschenden Windstärken. So dauerte seine längste Fahrt 19 Stunden und 26 Minuten, obwohl sie mit 325 km nicht sonderlich weit ging. Insgesamt verbrachte er über 180 Stunden in der Luft.

Nach Kriegsbeginn diente Kurt Held, als Reservist der Artillerie, zunächst im Feldartillerie-Regiment 77. Da er als Ballonfahrer über entsprechende Erfahrungen verfügte, wurde er Ende 1915 als Beobachter zur Feld-Luftschifferabteilung Nr. 11 versetzt. Noch im Februar 1915 verfügte die Heeresleitung über gerade einmal 9 Ballone, welche kaum zum Einsatz kamen. Dies änderte sich erst 1916. Parallel zum Angriff auf Verdun ab 21. Februar 1916 ließ die Heeresleitung mit 12 Ballonen zur Aufklärung ein Leitungsnetz aufbauen. Zu Kriegsbeginn noch wenig beachtet, stellten die Militärs aller Mächte bald fest, wie effektiv die Aufklärung durch die Ballone war. Das hatte für die Ballonführer die unangenehme Folge, dass sie vermehrt als Ziel, das durch die neuentwickelte Brandmunition noch dazu leicht zu beseitigen war, vom Feind wahrgenommen wurden. Vor Verdun verzeichneten die Luftschifferabteilungen zum ersten Mal im Krieg deutliche Verluste, neben vielen anderen kam auch Kurt Held bei diesem Einsatz ums Leben. Am 22. Mai 1916 starben Held und ein Kamerad, als ihr Ballon abgeschossen wurde. Die deutschen Luftschifferabteilungen waren zwar seit 1916 mit Fallschirmen ausgerüstet, jedoch waren diese noch sehr unzuverlässig, da sie häufig wegen Versagens der Reißleine nicht öffneten. Dies wurde auch Kurt Held zum Verhängnis und er stürzte in den Tod. Der Leichnam wurde am 11. Oktober auf dem Grimmaer Friedhof beigesetzt, wo sich noch heute, leider etwas verwildert, sein Grab befindet.

Trotz der teilweise recht hohen Verluste waren die Aufklärungserfolge der Feldluftschiffer hoch, so dass bereits bei der Schlacht an der Somme (24.6.-26.11.1916) 50 Ballone im Einsatz waren, welche nach den Erfahrungen von Verdun zudem Jagdschutz erhielten. Im letzten Kriegsjahr verfügte die Armee über 186 Ballonzüge.

Während die deutschen Ballonbeobachter ihre Erkenntnisse zunächst nur telefonisch weitergaben, hielten die Franzosen von Anfang an das Geschehen am Boden fotografisch mit Reihenbildern fest. Allerdings eignete sich der auch von den Franzosen übernommene deutsche Drachenballon nach dem System Parseval-Sigsfeld, aufgrund stark schwankender Gondeln/Körbe für fotografische Aufnahmen wenig. Dies führte 1916 zur Entwicklung des, auch noch heute benutzten, Caquot-Ballons, welcher ruhig in der Luft stand und in der Folge auch von den Deutschen übernommen wurde.

Peter Fricke, 2017