Feste schießen und Feste feiern – Grimmaer Schützenscheiben und -feste

Begleitheft zur Ausstellung

Aus der Geschichte der Grimmaer Schützengesellschaften

Als im 15. Jahrhundert das Reich in inneren Wirren und Kämpfen versank bildeten sich, meist aus den Zünften der Handwerker, in vielen Städten Schützengilden. So entstand auch in Grimma 1451 eine St. Sebastian Bruderschaft. Der Heilige Sebastian erfreute sich als Schutzpatron der Schützen allgemeiner Beliebtheit, da ihm aufgrund seines Martyriums die Macht, Pfeile lenken zu können, nachgesagt wurde. Bereits 1455 fand ein erstes Landschießen in Grimma statt, an dem sich 24 sächsische Städte beteiligten. Geschossen wurde zunächst noch mit der Armbrust, erst im 16. Jahrhundert kamen Büchsen hinzu. In Grimma existierte um 1532 jeweils eine Abteilung. Als im 17. und 18. Jahrhundert die Landesverteidigung von den Kommunen immer stärker auf den Staat überging, wurde den Bürgern schrittweise das Tragen von Waffen verboten. Ausgenommen davon waren nur die Schützengilden, da man deren alte Rechte anerkannte. Gleichzeitig verlangte die Obrigkeit ständiges Üben mit den Waffen und zog die Gilden gelegentlich zu Polizeiaufgaben heran. So beteiligten sich beispielsweise 1776 Grimmaer Schützen an der Abriegelung von Hohnstädt, um ein Ausbreiten einer Tierseuche zu verhindern. Außerdem bestand von 1683 bis 1802 ein allgemeiner Zwang sich an den Scheibenschießen zu beteiligen, da sich der Kurfürst eine Hebung der Wehrkraft erhoffte. Der Dreißigjährige Krieg brachte ein Verkümmern der Schützengilde mit sich, so dass sich der Rat 1680 veranlasst sah, das hiesige Schützenwesen durch die Neuerrichtung einer Schießhütte an der Stelle des ehemaligen Brückengeldeinnehmerhäuschens zu unterstützen. Die alte Schießhütte befand sich bis 1622 vor dem Hohnstädter Tor. Das Kommando über die Schützen hatte von 1681 bis zu deren Auflösung 1821 ein Ratsmitglied, aber auch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein finden sich in dieser Position sehr häufig Mitglieder der städtischen Kollegien. Nach den napoleonischen Kriegen verlangte eine Verordnung von 1817 die Bildung einer Armeereserve (Nationalgarde), in die alle waffenfähigen Bürger bis zum 60. Lebensjahr, eintreten mussten. Die Schützengesellschaft weigerte sich jedoch diese Funktion zu übernehmen und verkaufte daraufhin das Schützenhaus mit Schützenwiese und löste sich am 13. Dezember 1821 auf. Der schon als Pächter fungierende Wirt Samuel Wächtler erwarb im darauf folgenden Jahr das Schießhaus. Am 18. Juni 1822 formierte die Stadtverwaltung die vom Staat geforderte Nationalgarde, welche nun auch die Schützenfeste ausrichtete. Als 1828 die bestehenden Bestimmungen abgemildert wurden, d.h. nur noch junge Bürger den Dienst zu leisten hatten und die Größe der Garde im Verhältnis zur Einwohnerzahl stand, bekamen auch die Schützengilden ihre angestammten Rechte von vor 1817 zurück. Jedoch kam es in Grimma nicht zur Wiedereinrichtung einer eigenen Schützengilde, sondern die nun neu gebildete Bürgergarde übernahm die bisherigen Aufgaben. Später schloss sich ein Teil der alten, 1817 aufgelösten, Schützengesellschaft auf freiwilliger Basis der Bürgergarde an. Die Bürgergarde wurde bereits Ende 1830 wieder aufgelöst und in eine Kommunalgarde umgewandelt. Parallel dazu bildeten Mitglieder der alten Schützengesellschaft am 30. Juli 1830 einen Schützenverein, der auch vom Rat seine alten Rechte zurückerhielt. So gab es vorübergehend zwei Gesellschaften, die sich als Wahrer der Schützentradition verstanden. Um etwaige Querelen zwischen den Vereinen zu verhindern, wurden schon am 22. März 1831 beide Gesellschaften vereinigt, wobei aus den alten Vereinen zunächst zwei Kompanien gebildet wurden. Zum einen die Schützenkompanie aus der ehemaligen Bürgergarde, die ihre alten, blauen Nationalgardeuniformen bis 1840 behielten, zum anderen die Kompanie des Schützenvereins in der üblichen grünen Jägeruniform. Ab 1831 hatte die Schützengilde weder militärische noch polizeiliche Aufgaben zu verrichten, sondern war ein reiner Privatverein. Im Vordergrund der öffentlichen Vereinstätigkeit standen nun hauptsächlich der Schießsport und die Ausrichtung des Schützenfestes. Nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich 1870/71 bildeten sich auch in Grimma mehrere patriotische Militärvereine, so dass die Mitgliederzahl der Schützengilde 1872 auf einen Tiefstand von 15 Mann sank. Dies änderte sich jedoch schon im selben Jahr durch zeitgemäße Neuerungen, welche die Schützengilde wieder attraktiver machten. So wurde die bis dahin übliche Uniform gegen eine Schützenjoppe getauscht und auf Anregung der in Bad Lausick neu aufgestellten Artillerieabteilung, mit der Schützeneskadron eine reitende Abteilung gebildet. Die am 5. Juli 1872 erfolgte Neugründung hatte raschen Erfolg, denn schon 1873 wies die Gilde wieder um die 90 Mitglieder auf. Neben der neuen Kompanie bestand die ältere noch bis 1887 fort. Am 14. September 1873, dem ersten Sedanfest in Grimma, wurde eine neue Fahne geweiht und beim Schwanenteich eine Friedenseiche und -linde gepflanzt. Ab 1873 beteiligte sich die neue Schützeneskadron mit Wettreiten am Schützenfest. Innerhalb des Schützenvereins bestand ab 1884 eine Freihandschützengesellschaft, die sich 1891 ihren 175m langen und mit vier Wechselscheiben eingerichteten Schießstand bei der alten Gasanstalt baute, den auch der Mutterverein mit benutzte. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg lösten sich die Freihandschützen 1921 auf, weil sie nur noch sechs Mitglieder hatten. Da es an einem zeitgemäßen Schießstand fehlte, erwarb die Schützengesellschaft 1899 das Restaurant „Zum Weinberg“, taufte es in „Schützenhof“ um und errichtete hinter dem Gasthof einen neuen Schießstand, der auch der höheren Durchschlagskraft moderner Waffen Rechnung trug. Das neue Domizil konnte im Juli 1901 zum 450. Schützenjubiläum eingeweiht werden. Allerdings hatte sich der Verein mit dem Schützenhof finanziell übernommen, was sich in den Folgejahren bemerkbar machte. In den durch wirtschaftliche Not gekenn- zeichneten Nachkriegsjahren war die Gesellschaft schon 1920 gezwungen, das Restaurant mit der Schützenwiese zu verkaufen. Einzig der Schießstand blieb im Besitz der Gesellschaft. Im Zweiten Weltkrieg diente zirka ein Fünftel der etwa 150 Vereinsmitglieder bei der Wehrmacht. Schützenfeste wurden während des Krieges nicht abgehalten und der Verein 1945 aufgelöst. Am 16. Juli 1990 wurde mit der „Privilegierten Schützengesellschaft Grimma e.V.“ erneut ein Schützenverein gegründet.