Das blaue Wunder der Blaudrucker

Texttafeln der Ausstellung

Ausstellung
Das Blaufärben der Stoffe
Der Schatz der Blaudruckerei
Die Technik des Blaudrucks
Die Geschichte des Blaudrucks
Die Färberfamilie Leonhardt

Die Geschichte des Blaudrucks

Der älteste Beleg des Zeugdrucks im Reserveverfahren, eine Kindertunika aus dem 4. Jh., stammt aus einem Gräberfeld in Ägypten. Das Stoffmuster wurde mit Wachs bemalt -“reserviert“, erst dann der Stoff blau gefärbt. ln Europa fand sich im Grab des Hl. Caesarius, Bischof von Arles (502 bis 543), ein Stoffrest mit weißem Muster auf blassblauem Grund.

Als Mitte des 17. Jh. aus Indien zurückkehrende Handelsschiffe große Mengen blauer Kattunstoffe mit weißem Muster mitbrachten, entwickelte sich im Norden Europas ein großes Interesse für die ostindische Drucktechnik. Die Erzeugnisse aus feinerem Stoff mit farbbeständigeren Drucken wurden sehr beliebt. Das Kattungewebe setzte sich gegenüber dem bisher in Europa gebräuchlichen harten, steifen Leinengewebe und den dicken, kratzenden Wollstoffen durch. Kleidung, Schlafdecken, Mützen, Betten, Vorhangstoffe und Tapeten wurden bevorzugt aus bedrucktem Kattun gefertigt. Die holländischen Handwerker, durch keinerlei Beschränkungen im Handel und Handwerk eingeengt, ahmten das neue Druckverfahren nach und gründeten 1678 in Amsterdam die erste nachweisbare Kattundruckerei Europas. Das indische Verfahren war allerdings kein Reservedruck, sondern ein im Orient und in Indien seit Jahrhunderten ausgeübtes kombiniertes Verfahren mit Anwendung von Beizen. Auf den vorbehandelten Stoff wurde für das gewünschte Muster mittels eines Handdruckmodels eine oder mehrere Beizen aufgetragen und beim anschließenden Tauchen im heißen Bad mit dem Naturfarbstoff Krapp in den verschiedenen Tönen Schwarz, Rot und Violett gefärbt. Durch Mischung der Beizen und Zusatz von Gerbstoffen wie Galläpfeln konnten auch Zwischentöne wie Dunkelbraun, Kastanienbraun, Ziegelrot oder hellem Pflaumenblau erzielt werden. Gelb, Grün und Blau wurden in den fertigen Druck eingemalt und, weil weniger licht-und waschecht, bei Bedarf nachgemalt.

ln einigen Ländern Europas wurde ein Kattunverbot ausgesprochen, um die althergebrachten Leineweber, die Hersteller von Seide, Samt sowie Wollstoffen und die Zeugdrucker vor der starken Konkurrenz der modernen Ware zu schützen. Die Weber waren nun gezwungen, sich intensiver mit ihrem einheimischen Leinengewebe zu befassen. Die Blaufärber begannen, sich die Vorzüge des aus dem indischen Blauholz gewonnenen Indigos zunutze zu machen. Mit diesem stärker und haltbarer färbenden Blaudruck auf Leinen schufen sie neue Gestaltungsmöglichkeiten.

Von Beginn an wurde für das Muster eine aus Wachs und Leim bestehende Reservemasse mit Druckformen wie beim Buchdruck auf den Stoff übertragen, die das Anfärben des Stoffmusters im warmen Tauchbad verhinderte. Die mit Indigo mögliche Kaltfärbung und der Zusatz von Kupfersalzen für eine mechanisch und chemisch wirkende Reserve ermöglichten eine noch bessere Musterung und einen zweiseitigen Druck. So nahm die 1734 in Minden-Ravensberg gegründete Zunft für das Blau-und Schönfärberhandwerk ihren Aufschwung und verbreitete sich bis zum Beginn des 19. Jh. Die kleinen Werkstätten konzentrierten sich auf die Bearbeitung des im Hause der Bauern selbst gesponnenen und gewebten Leinen, später auch von Halbleinen und Baumwolle. Sie hatten dadurch eine enge Bindung an die Käufer. Am Ende des 19. Jh. bildete sich auch in Deutschland eine moderne Textilindustrie heraus. Den Druck der farbigen Stoffe übernahmen nun Maschinen in guter Qualität. Baumwollstoffe verdrängten zunehmend das Leinengewebe. Damit kam praktisch auch der bäuerliche Anbau von Flachs und Leinen zum Erliegen. Die ländliche Bevölkerung blieb als Auftraggeber für Blaudruckerzeugnisse aus. Nur in den Trachtenregionen wie in der Lausitz, in Thüringen, in Scheeßel, in Oberbayern, im Schwarzwald oder im Fläming hielt sich der Blaudruck noch einige Zeit. Heute gibt es in Deutschland ca. 30 Druckereien, die diese schöne alte Handwerkstradition fortführen.