12.08.2005 bis 28.02.2006
Im August 2002 wurde die Kreisstadt von der wohl schlimmsten Flutkatastrophe ihrer mehr als 800-jährigen Geschichte erfasst. Am Morgen des 13. August ergoss sich innerhalb weniger Stunden das Wasser der Mulde unter anderem auch in die Erdgeschossräume des Kreismuseums und beschädigte dabei einen Großteil der hier aufbewahrten Kulturgüter. Nicht alle Ausstellungsstücke konnten vor den Fluten gerettet werden. Schwer in Mitleidenschaft gezogen waren vor allem die Bibliothek und das Archiv, welche sich ebenfalls im Erdgeschoss befanden. Die Bibliothek beherbergte 10 000 Bücher, Drucke und Schriften. Ca. 9 000 Bücher und Archivalien lagen nach dem Hochwasser völlig durchnässt und größtenteils verschlammt unter zusammengebrochenen Regalen.
Kurze Zeit nachdem das Wasser der Mulde zurückgewichen war, wurde mit den Aufräumarbeiten begonnen. Viele Menschen kamen ins Museum, um zu helfen. Zunächst mussten die Bücher geborgen und registriert werden. Es begann ein Wettlauf mit der Zeit, um den sich ausbreitenden Schimmelbefall zu stoppen. Zunächst musste der Schlamm und der sich bereits gebildete Schimmelrasen von den Büchern entfernt werden. Von den ohnehin völlig durchnässten Büchern konnten mit sauberem Wasser Schlamm und Schimmel abgespült werden. Danach wurden die gereinigten Bücher einzeln in Plastiktüten verpackt, damit sie beim Schockfrosten nicht miteinander verkleben. Als Transportbehältnisse dienten Obstkisten, die die Firma Obstland in Dürrweitzschen kostenlos zur Verfügung gestellt hatte. Anschließend erfolgte der Transport in verschiedene Gefrierhäuser, wo die Bücher bei minus 20 °C eingefroren wurden.
Besonders gefährlich war der sich rasend schnell ausbildende Schimmel für die durchnässten Bücher. Schimmelsporen befinden sich praktische überall. Sobald sie auf günstige Lebensbedingungen treffen, beginnen sie sich zu entwickeln und bilden dabei einen Vegetationskörper, auch „Schimmel“ genannt. Dieser beginnt dann langsam, die vielen organischen Bestandteile eines Buches zu zersetzen, was zur völligen Zerstörung des Buches führen kann.
Während und nach der Flutkatastrophe herrschten ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Schimmel. Feuchtigkeit und Wärme begünstigten ein besonders schnelles Wachstum. Da die Bücher erst nach Tagen aus dem Chaos der überfluteten Museumsbibliothek geborgen werden konnten, hatte sich auf vielen bereits frischer Schimmelrasen gebildet. Das Abduschen sowie das anschließende Schockfrosten der Bücher stoppten den Schimmel. Nach der anschließenden Gefriertrocknung musste der gesamte Bestand mit Gammastrahlen bestrahlt werden, um die noch verbliebenen Schimmelpilze abzutöten. Da die allergene Wirkung abgetöteter Pilze trotz Bestrahlung erhalten bleibt, mussten die Bücher noch trocken gereinigt werden. Das Arbeitsamt stellte für diese Arbeiten 10 SAM-Kräfte zur Verfügung. Die Pilze und der zwischen den einzelnen Seiten angelagerte Muldenschlamm wurden mittels Pinsel und Schwamm aus den Büchern entfernt.
Die Bücher wiesen nach der Trocknung schwere Schäden auf. Das zu klein und außerdem spröde gewordene Einbandmaterial hatte sich von den Holzdeckeln bzw. Einbandpappen gelöst. Die gequollenen Buchblöcke hatten ihre Leimung verloren. Viele Bücher wurden so stark beansprucht, dass sich die Heftung auflöste und der Buchblock auseinander fiel. Buchblock und Einband wiesen nach der Trocknung meist starke Deformierungen auf. Bücher mit Hochglanzpapieren hatten irreparable Schäden nach der Trocknung. Die einzelnen Seiten waren zu einem festen Buchblock verklebt.
Der eingedrungene Schlamm hatte braune Flecken auf den Buchseiten hinterlassen. Nach der Gefriertrocknung zeichneten sich in vielen Büchern deutlich sichtbare Wasserränder ab. Wasserlösliche Tinten- und Stempelfarben waren durch das Wasser gelöst worden, wobei die Schrift mitunter bis zur Unkenntlichkeit ausblutete. Die Farbe von Vorsatzpapieren und Buchschnitten verfärbte die Buchseiten.
Drei Jahre sind seit dem Augusthochwasser 2002 vergangen. Die meisten der hochwassergeschädigten Bücher konnten während dieser Zeit wieder instandgesetzt werden. Jedoch waren nicht alle Bücher zu retten. Von etwa einem Viertel des Buchbestandes musste sich das Museum trennen. Hierbei handelte es sich vor allem um die Bücher mit Hochglanzpapieren. Andere Bücher wiesen einen so hohen Beschädigungsgrad auf, dass sich eine Instandsetzung nicht lohnte. Diese Bücher konnten zum größten Teil durch zielgerichtete Recherche in den verschiedenen Antiquariaten wiederbeschafft werden. Ca. 50 % des Buchbestandes wurde von Buchbindern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt instand gesetzt. Das Ziel bestand darin, die Bestände der modernen Handbibliothek wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen.
Einige ausgewählte historische Bücher mit besonderen äußeren Merkmalen sowie besonderer inhaltlicher, bibliotheks- und kunsthistorischer Bedeutung wurden von Fachrestauratoren restauriert. Hier ging es ebenfalls darum, dem Buch seine ursprüngliche Gebrauchsfähigkeit wiederzugeben. Der Erhalt der wertvollen Originalsubstanz stand jedoch im Vordergrund. Charakteristische Alterungs- und Gebrauchsspuren sollten dabei erhalten bleiben, Form und Materialstruktur nicht mehr als unbedingt nötig verändert werden.
Dank der großzügigen Spenden seitens verschiedener Stiftungen, Institutionen und Privatpersonen sowie der Bereitstellung von Fördergeldern von Bund und Land konnte die Bibliothek des Kreismuseums Grimma gerettet werden. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.
Die über 100 Jahre gewachsene Bibliothek des Museums ist eine wichtige Quelle für die regionale Geschichtsforschung. Ihr Erhalt ist uns ein wichtiges Anliegen.
Anlässlich des Jahrestages der Flut präsentiert das Kreismuseum vom 12. August 2005 bis zum 28. Februar 2006 eine Ausstellung über die Schäden und die Instandsetzungsarbeiten an den Büchern. Vorgestellt werden einzelne Schadensbilder wie Schlammflecken, Wasserränder, das Ausbluten von Farben und Tinten, Einband- und Buchblockschäden. Weiterhin sind in der Präsentation einige ausgewählte Bücher vorgestellt, die durch verschiedene Fachrestauratoren und Buchbinder wieder instand gesetzt wurden.