Texttafeln der Ausstellung
Ausstellung
Flüchtlinge und Vertriebene kommen in die Kreise Grimma, Wurzen und Borna Maßnahmen der Verwaltung gegen das drohende Chaos
Versorgung der Vertriebenen mit Wohnraum, Hausrat und Lebensmitteln
Die Versorgung der Vertriebenen mit Arbeitsplätzen
Horst Anders
Hans-Joachim Kullig
Flüchtlinge und Vertriebene kommen in die Kreise Grimma, Wurzen und Borna
Die Tragödie der Menschen aus dem Kreis Militsch-Trachenberg begann, wie für viele andere, am 19. Januar 1945 mit dem Evakuierungsbefehl Die Front befand sich schon kurz vor ihren Ortschaften. Die Menschen traf der Evakuierungsbefehl unverhofft, da noch zwei Tage zuvor die Kreisleitung der NSDAP eine Erklärung abgab, dass keine Evakuierung des Kreises nötig sei. Am Morgen des 20. Januar zogen die Bewolmer, die ein Pferdefuhrwerk besaßen in Trecks los. Viele andere, vor allem Stadtbewolmer, sollten mit der Balm evakuiert werden. Sie sammelten sich nur mit Handgepäck auf den Vorplätzen der Bahnhöfe. Doch die Züge kamen nicht, so blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich den Trecks anzuschließen und in der Eiseskälte auf den langen Fußmarsch in Richtung Mitteldeutschland zu begeben.
Der Weg führte die Menschen über Trachenberg-Steinau an der Oder-Parchwitz -Liegnitz -Görlitz über Zittau in die sächsischen Kreise Grimma, Borna und Rochlitz. Die Betreuung der Trecks wurde von der Nationalsozia-listischen Volkswohlfahrt (NSV) organisiert. An wichtigen Wegkreuzungen wurden Leitstellen eingerichtet, um die Menschen in die ilmen zugedachten Quartierorte zu leiten. Obdach und Verpflegung für die Flüchtlinge wurden vor ihrer Ankunft organisiert. Die Bevölkerung entlang der Route unterstützte sie ebenfalls, soweit es ihnen möglich war mit Lebensmitteln, Bekleidung, Reparaturen und Obdach.
Anfang Februar erreichten sie das Muldental bzw. Boma. Hier sollte die vorübergehende Unterbringung der etwa 40.000 Evakuierten und ihrer 4.000 Pferde erfolgen. Die noch bestehende Verwaltung des Kreises Militsch-Trachenberg war schon zwei Wochen vor dem offiziellen Evakuierungsbefehl nach Grimma geflüchtet und hatte hier die Unterbringung und Versorgung organisiert. Der Treck wurde auf die Dörfer der Kreise verteilt, wo sie zumeist bei Bauern unterkamen. Recht bald wurde die Verwaltung des Kreises Militsch-Trachenberg aufgelöst und die Verwaltungen der west-sächsischen Kreise waren nun für die Flüchtlinge zuständig.
Am 8. April1945 eroberte die amerikanische Armee die Region. Nach der deutschen Kapitulation und der Aufteilung der alliierten Besatzungszonen stand das Land Sachsen unter der Verwaltung der Sowjetunion und begann mit der Suche nach Kriegsverbrechern und ehemaligen Nationalsozialisten. Davon blieben auch die Flüchtlinge nicht verschont. Sie wurden von der Straße weg verhaftet und teilweise zu vielen Jahren Gefängnis oder Zwangsarbeit verurteilt.
Wenige Wochen nach Beendigung des Krieges machten sich einige Trecks auf den Weg zurück in ihre Heimat. In Schlesien angekommen wurden sie bitterlich enttäuscht. Viele Häuser waren geplündert oder zerstört. Die Heimgekehrten und die verbliebenen Deutschen wurden Ende Juni 1945 endgültig von den polnischen Behörden ausgewiesen. Mit dem Einsetzen dieser großen Vertreibungswelle im Sommer 1945 mussten auch einige Flüchtlinge aus dem Kreis Militsch-Trachenberg das Land Sachsen wieder verlassen und wurden nach Sachsen-Anhalt weitergeleitet. Der Großteil blieb jedoch im Raum Westsachsen.
Die Situation wurde Mitte des Jahres 1945 für die Behörden immer unübersichtlicher. Herumirrende deutsche Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer, marodierende sowjetische Truppen, befreite Zwangsarbeiter und Bomben-geschädigte zogen durchs Land. Verschärft wurde die Lage durch die ersten „wilden Vertreibungen“ von Deutschen in Polen und der Tschechoslowakei sowie die Flüchtlingstrecks, die nach Schlesien zurückkehren wollten. Die Anordnung der SMAD vom 19. Juli 1945 beschied, dass Sachsen kein Ansiedlungsland für Flüchtlinge und Vertriebene ist. Sie wurde Anfang Oktober noch einmal bestätigt. Damit leitete man die ankommenden Flüchtlingstransporte weiter.
Durch die Verweigerung von Lebensmittelmarken wurde der Druck auf die Vertriebenen noch erhöht. Die an Sachsen angrenzenden Länder Thüringen und Sachsen-Anhalt, damals Provinz Sachsen, wehrten sich gegen die Weiterleitung der Vertriebenen. Sie sperrten ihre Grenzen, so dass die Vertriebenen nicht weiter gelenkt werden konnten.
Mitte Oktober 1945 wurden auf Anordnung der Besatzungsmacht die Ausweisungen gestoppt und allen Flüchtlingen und Vertriebenen ein Bleiberecht in Sachsen eingeräumt.