Zwischen Heimatfront und Schützengraben – Der Erste Weltkrieg im Muldental

Ausstellung
Der Erste Weltkrieg – Einführung
Die Stadt Grimma im Erste Weltkrieg
Wirtschaft der Stadt im Erste Weltkrieg
Grimmaer Produkte für die Front
Maschinenbau A.G. Golzern-Grimma
Geschoßkörbe der Firma Tretbar
Fest- und Scherzartikelfabrik Weißing
Rationierung von Lebensmitteln
Ernährungslage in Grimma
Husarenregiment Nr. 19 in Grimma
Vom Schulalltag
Kriegsgefangenenlager Golzern

Grimmaer Produkte für die Front

Lederhandschuhe aus der Firma M&P Händel

Die seit 1890 in Grimma ansässige Handschuhfabrik M&P Händel, die für ihre Glacee-Handschuhe weltbekannt war, konnte den Krieg, wenn auch mit Mühen, auf etwa dem Vorkriegsniveau überstehen. Nach dem Tod ihres Mannes hatte Elisabeth Händel 1900 die Leitung des Betriebes übernommen. Ihr oblag es, den Betrieb auch sicher durch die Kriegswirren zu führen. Ihr Sohn Martin übernahm erst nach seinem Studium im Jahre 1926 die Betriebsleitung. Seit Kriegsbeginn fertigten die 60 bis 80 Beschäftigten hauptsächlich Offiziers- und Reiterhandschuhe, was keine große Produktionsumstellung erforderte. Die größte Sorge galt der Rohstoffbeschaffung, da Felle wegen der fehlenden Importe zur Mangelware geworden waren. Die Preise für inländische Felle stiegen mit Kriegsbeginn sprunghaft an, so dass Lederhandschuhe zu einem reinen Luxusartikel wurden.
1918 versuchte sich der Betrieb durch die Entwicklung eines Gasschutzhandschuhes ein weiteres Standbein zu schaffen. Die Produktion wurde aufgrund der Niederlage aber nicht mehr aufgenommen. Nach Kriegsende benötigte die Firma mehrere Jahre, um sich von der Inflation zu erholen und das Exportgeschäft neu aufzubauen.

Zigarrenfabrik Raue

Neben den drei größeren Industriebetrieben gab es noch eine Reihe kleinerer Fabriken in der Muldestadt, wie die Zigarrenfabrik Raue. Die Firma Raue betrieb schon seit 1860 einen Tabakwarenhandel, dem später Produktionsräume folgten. Das Unternehmen, welches durchschnittlich 60-70 Arbeiter beschäftigte, konnte mit Kriegsbeginn durch hohe Heereslieferungen zahlreiche arbeitslos gewordene Textilarbeiter aufnehmen und einen guten Gewinn erzielen. Die Katastrophe ereilte das Unternehmen in der Nacht zum 21.10.1916, als das Lagergebäude mit dem Rohtabak durch Brand zerstört wurde. Allein der Schaden an dem verbrannten Rohtabak bezifferte sich auf über 100.000 Mark. Da Tabak als Importgut nur noch über Holland zu bekommen war, wenn die Alliierten gerade keinen Exportstopp erzwangen, explodierten die Preise und an einen Weiterbetrieb war nicht zu denken. Max Raue war gezwungen, die Fabrik nach dem Brand zu schließen. Damit verloren die zu diesem Zeitpunkt etwa 120 Beschäftigten ihre Arbeit und ihr Auskommen. Während der Weltwirtschaftskrise kam das endgültige Aus für die Zigarrenfabrik. Im April 1931 gab Raue die Produktion auf. Im Sommer verkaufte er das Ladengeschäft.

Brillenetuis und Militärausrüstungen der Firma Kühn

Die Etuifabrik Kühn war zu Kriegsbeginn noch nicht die Firma von späterem Weltruhm. Sie stellte neben Brillenetuis Behältnisse für alle Arten optischer Geräte wie z.B. Ferngläser her.
Gegründet wurde die Firma 1910, wenige Jahre vor dem Krieg, in Räumen der ehemaligen Realschule, die Reinhold Kühn schrittweise erwarb und ausbaute. Bei Kriegsausbruch beschäftigte die Firma bereits 57 Arbeiter und steigerte deren Zahl aufgrund von Heeresaufträgen bis auf 101 im Jahre 1915. Zur Produktion von Etuis für Feldstecher gesellten sich spätestens während des Krieges Pistolenhalfter, Patronentaschen, Tornister und Seitengewehrgehänge. Eine sichere Darstellung zur Firmengeschichte während des Krieges ist aufgrund der spärlichen Aktenlage nicht mehr möglich. Reinhold Kühn zeichnete jedoch sämtliche Kriegsanleihen, was eine gute finanzielle Lage vermuten lässt. Von 1918 an entwickelte sich die Firma Reinhold Kühn zu einem der weltweit größten Etuihersteller. Bereits 1926 umfasste die breit gefächerte Produktpalette über 300 verschiedene Modelle in unterschiedlichen Material- und Farbkombinationen.