Gemodelt und gesetzt – Ofenkachelmodel aus Grimma

Texte der Ausstellungstafeln

Ausstellung
Die Ofenkachel im Wandel der Zeit
Kachelmodel aus zwei Jahrhunderten
Das Töpferhaus und sein reicher Fund
Geschichte der Grimmaer Töpferinnung
Innungsordnung der Grimmaer Töpfer
Die Herstellung der Ofenkachel
Tonvorkommen und Tonaufbereitung
Aufbereitung
Verkauf der Töpferware

Kachelmodel aus zwei Jahrhunderten

Die in der Sumpfgrube gefundenen Model und Kacheln stammen aus der Zeit zwischen 1550 und 1720. Es ist also anzunehmen, dass vor der Ersterwähnung des Töpfers Veit Schwalbe bereits ein Töpfer im Grundstück Mühlstraße 7 Ofenkacheln anfertigte.
Bei den Funden handelt es sich um Formen und Fragmente aus gebranntem Ton: Kacheln, Eck-, Sims- und Kranzmodel. Sie zeigen das plastische Kachelrelief als Negativ. Aber auch Probeabdrücke waren im Fundmaterial. Die Größen sind sehr unterschiedlich. Die Formenvielfalt reicht von quadratischen, rechteckigen bis zu schmalen Kacheln, die als Rapporte aneinandergereiht werden können. Einige wenige Kacheln weisen eine Glasur auf.
Aus einer kleinformatigen Blattkachelserie stammt ein Model aus dem Jahre 1550 mit der Darstellung des alttestamentarischen Königs Saul. Dieser Model weist an der Oberfläche starke Abnutzungsspuren auf, was für einen langen Gebrauch spricht.
Als Modelfunde der Zeit zwischen 1550 und 1600 sind weiterhin zu nennen: zwei Bekrönungsmodel, Simsmodel mit Greif- und Löwendarstellungen und diverse Eckkacheln. Sie sind fast alle Einzelstücke. Einige sind auf der Rückseite mit eingeritzten oder ge­stempel­ten Initialen oder Jahreszahlen versehen, die entweder den Zwischenhändler oder den späteren Eigentümer nennen. Jahreszahlen kombiniert mit Namen kamen um 1600 auf. Insgesamt waren unter dem Fundmaterial 27 Kachelformen mit einem Meistersignum und/oder mit einer Jahreszahl versehen:

Meister/Jahreszahl  Meister/Jahreszahl Meister/Jahreszahl
TTH
ML
MK 1584
PR 1588
Michel Rabener 1609
MF
Valentinus Radenen 1611/1612
HS 1611
Dominus Kackewrick 1617
MH 1628
CM 1651
Re
CH 1651, 1657
HL 1655
CHR 1656
VS 1659
HCK 1700
HK
HAK 1716

Eine interessante Modelserie „Die acht Tugenden“ stammt aus der Zeit von 1610 bis 1617. Diese Model sind nicht besonders groß (25 x 35 cm), zeugen aber zum Teil von hoher Qualität. In Auswertung des gesamten Fundmaterials kann festgestellt werden, dass jede Serie einer anderen regionalen Bildschneiderwerkstatt zuzuschreiben ist. Selbst innerhalb der Serien kann man unterschiedliche Künstler erkennen, was bei den acht Tugenden besonders deutlich wird. Die Bildvorlagen für die acht Tugenden stammen von dem Warburger Kupferstecher Antonius Eisenhoit. Die Darstellungen der Stärke und des Glaubens sind eher laienhaft gearbeitet im Gegensatz zu den anderen fünf Tugenden, die die geübte Hand eines Formschneiders verraten.
Aus den Nahrungs- und Gewerbetabellen der Stadt Grimma vom Jahr 1792 geht hervor, dass am Ende des 18. Jh. in der Stadt 3 Töpfermeister, 2 Bildhauer und   3 Formenschneider tätig waren. In Grimma waren also alle Handwerkszweige vorhanden, die sich mit der Herstellung von Modeln befasst haben könnten. Die Tatsache aber, dass verschiedene Grimmaer Bildmotive auch in Leipzig sowie in Colditz gefunden wurden, deutet eher auf einen Kauf der Formen auf der Leipziger Messe hin.Grimma hatte bis 1871 drei Jahrmärkte: den Obermarkt im April, den Erntemarkt im August und den Herbstmarkt im November. Jedes Mal kamen fremde Töpfer (u.a. aus Colditz, Leisnig, Geithain, Waldenburg, Frohburg, Mutzschen, Kamenz, Hohenleipisch) mit Topfwaren und Steinzeug. So gab es z.B. 1825 (einschließlich der 4 hie­sigen) zum Ostermarkt 23, zum Erntemarkt 27 und zum Herbstmarkt 28 Töpferstände.

Die Grimmaer Töpfer verkauften ihre Ware in der Brückengasse, von 1833 bis etwa 1905 in der Nikolaigasse. Die Töpfer aus Hohenleipisch hatten anfangs ihren Platz vor dem heutigen Stadthause, seit etwa 1800 in der Hohnstädter Straße, zuletzt auch in der Nikolaistraße.

Verkauf war den fremden Töpfern nur an den ersten beiden Jahrmarktstagen, Montag und Dienstag, erlaubt. Am Mittwoch kam die Landbevölkerung zum Wochenmarkt, auf dem nur die hiesigen Töpfer ihre Ware feilhielten. Sie sahen streng darauf, dass diese Bestimmung eingehalten wurde. Als z.B. 1769 Bürgermeister Heine den Töpferfrauen aus Hohenleipisch, Rimpel, Rößler und Lehmann, am Erntemarkt erlaubte, noch am Mittwoch bis 10.00 Uhr früh zu verkaufen, erhob sich ein großer Tumult. Der Obermeister Müller forderte sie auf einzupacken. Als sie sich wei­ger­ten, ergriff er einen Satz Milchschälchen und schmetterte ihn auf das Pflaster.
Meister Vogel und drei Grimmaer Töpferfrauen folgten seinem Beispiel und zerschlugen Flaschen, Krüge, Näpfe bis der Stadtrichter erschien und ihnen ihr „sträfliches Tun“ untersagte. Die Übeltäter hatten 6 Taler und 8 Pfennige Schadensersatz und 2 Taler und 10 Pfennige Gerichtskosten zu bezahlen.