Als in Grimma das Gewerbe blühte

Die erste Grimmaer Gewerbeausstellung 1860

Der Grimmaer Gewerbeverein beabsichtigte, sich mit einer Ausstellung über das hiesige Gewerbe im Sommer 1860 der Öffentlichkeit zu präsentieren. Trotz der Widerstände einiger Grimmaer Bürger, vor allem der Lehrer und Beamten, welche das hiesige Gewerbe nicht für ausstellungswürdig genug hielten und die geplante Ausstellung schon im Vorfeld tot redeten, wurde im Februar 1859 mit den Vorarbeiten begonnen. Zunächst wählte man den Ausstellungsausschuss. Vorsitzender wurde der Stadtrat und Knopfmachermeister Carl Daberkow, welcher auch der erste Vorsitzende des Gewerbevereins war. Auf der Ausstellung sollten alle Erzeugnisse aus Kunst, Handwerk und Industrie, die in Grimma oder der nahen Umgebung geschaffen oder zumindest im Wesentlichen vollendet wurden, gezeigt werden. Weibliche Handarbeiten und die Beteiligung von Geschäftsinhabern außerhalb des Vereins waren dabei ausdrücklich erwünscht, was natürlich auch der damals noch geringen Mitgliederzahl, etwa 70, in dem jungen Verein geschuldet war. Ursprünglich für August geplant wurde für die Ausstellung schließlich der Zeitraum vom 1. bis zum 16. September 1860 gewählt, auch weil die konkreten Vorbereitungen teilweise schleppend verliefen. So mussten wiederholt die Aussteller zum Einreichen ihrer Stücke ermahnt werden. Als Schlusstermin war hierfür eigentlich der 11. August vorgesehen, aber bis zu diesem Tag hatten sich erst 80 Interessenten angemeldet, so dass man den Termin bis zum 27. August verschob. Letztendlich kamen 142 Aussteller zusammen, wovon 113 aus der Stadt und 9 aus der näheren Umgebung, d.h. meist aus Beiersdorf oder Döben, stammten. Dazu gesellten sich noch 20 Ausstellerinnen mit Handarbeiten. Der Ausstellungskatalog weist insgesamt 652 Ausstellungsstücke aus, welche in der Mehrzahl von den Besuchern erworben werden konnten oder von der Ausstellungsleitung angekauft wurden.

Die Berufszugehörigkeiten der Aussteller spiegeln dabei auch die wirtschaftliche Struktur der Stadt um die Mitte des 19. Jahrhunderts wider. Über 78% der Aussteller entstammten dem Handwerk, nur ca. 3% dem Handel und nur 0,7% der Industrie. In Grimma gab es damals nur drei kleinere Fabrikbetriebe bzw. Manufakturen, die Dosenfabrik Sperling, die Zigarrenfabrik Hartmann und die Pergamentpapierfabrik Plaidy.

Am 1. September wurde die Ausstellung in den geschmückten oberen Sälen des Schützenhauses eröffnet. Der Eintritt kostete 1 Neugroschen und geöffnet war wochentags zwischen 9-12, bzw. 14-18, sonntags von 10-13, bzw. 15-18 Uhr. Kinder unter 8 Jahren hatten keinen Zutritt, bis zu 14 Jahren nur in Begleitung eines Erwachsenen.

Die Ausstellungsstücke waren vom Ratsbauinspektor Andrä in Gruppen angeordnet worden und repräsentierten fast alle hiesigen Gewerbezweige. Zur allgemeinen Überraschung der über 4.000 Besucher erwiesen sich die gezeigten Stücke dabei in Qualität und Form durchaus auf der Höhe der Zeit. Besondere Erwähnung fanden die Pergamentpapiere des Buchbinders Plaidy und ein Scheitelstein mit dem Stadtwappen Grimmas für den Andrä den Entwurf geliefert hatte. Der Scheitelstein war für den Haupteingang des neu errichteten Siechhauses bestimmt und ist dort noch heute zu sehen.

Zur Finanzierung der Ausstellung trug, neben den Eintrittsgeldern auch eine bei solchen Gelegenheiten häufig veranstaltete Lotterie bei. Hierfür wurden von der Ausstellungsleitung von den einzelnen Ausstellern aus dem Losertrag Stücke erworben, welche zum Ende der Ausstellung verlost wurden. Die Lose kosteten 7½ Neugroschen und waren bis zum Ende der Schau erhältlich. Im Falle der ersten Gewerbeausstellung war der Gewinn aus dem Losverkäufen recht befriedigend, weil viele Nachbarvereine aus Solidarität einige Lose erstanden. Dafür verpflichtete sich der Grimmaer Gewerbeverein zu gegebener Zeit selbst Lose bei den jeweiligen Nachbarvereinen zu erwerben. Diese Tauschgeschäfte waren eigentlich unbeliebt, da Ausstellungslose verhältnismäßig teuer waren, der Gewinn dafür unsicher und meist klein. Das führte z.B. dazu, dass der Grimmaer Gewerbeverein bei einer solchen Gelegenheit für 12 gekaufte Lose nur 5 Ellen Leinwand und eine Serviette gewann. Für den jungen Verein war diese Vorgehensweise allerdings unabdingbar um die Ausstellung zu finanzieren. Insgesamt konnten 6.772 Lose in einem Wert von 1.693 Talern (entspr. 5.079 Mark) verkauft werden. Es wurden im Vorfeld 1.500 Gewinne von den Ausstellern angekauft, wodurch diese eine zusätzliche Einnahmequelle hatten. Die Hauptgewinne und einige andere wurden auf der Ausstellung präsentiert. Der 1. Preis bestand aus einem Granatschmuck, des Goldschmieds Hermann Kunde im Wert von 66 Talern. Die anderen Hauptgewinne waren z.B. eine Doppelflinte, ein Sofa, verschiedene Pelze und Uhren.

Es sind keine genauen Zahlen mehr vorhanden, die über die Wirtschaftlichkeit der ersten Gewerbeausstellung Auskunft geben, lediglich, dass diese mit einem wohl kleinen Gewinn abschloss. Rechnet man die bekannten Einnahmen zusammen, so ergibt sich ein Betrag von ca. 5.600 Mark, zu dem mit hoher Wahrscheinlichkeit noch die Einnahmen von den üblichen Platzgeldern der Aussteller kamen. Die Kosten dürften fast genauso hoch gewesen sein.
Insgesamt hatte die 1. Ausstellung eine überraschend gute Resonanz gefunden und bewiesen, dass das hiesige Gewerbe durchaus gegen die auswärtige Konkurrenz bestehen konnte. Obwohl man daher eine baldige Wiederholung ins Auge fasste, sollte es 48 Jahre dauern, bis in Grimma die zweite Gewerbeausstellung stattfand.