Die Industrie- und Gewerbeausstellung 1908
Fazit
Die zweite Gewerbeausstellung präsentierte das Grimmaer Gewerbe in seiner größten Blüte, bevor der Erste Weltkrieg den wirtschaftlichen Niedergang einläutete. Nur wenige Firmen, welche damals ausstellten existieren zum Teil in anderer Form noch heute. Handel und Handwerk waren das Rückgrat der städtischen Wirtschaft und prägten maßgeblich das Stadtbild. In fast jedem Haus der Altstadt befanden sich wenigstens ein bis zwei Geschäfte. Es gab fast alles und fast alles wurde vor Ort hergestellt. Im Vergleich dazu ist die Situation heute trostlos. Die Altstadt ist mitunter beinahe menschenleer und das Ladensterben schreitet fort, womit sie noch mehr an Attraktivität verliert. Großmärkte, der zunehmende Internethandel und die teilweise fehlende Kaufkraft lassen die herkömmlichen Geschäfte aussterben. Ein Wandel, der sich nicht aufhalten lässt.
Aber wirft man den Blick von der Ausstellung von 1908 zurück zu der von 1860 wird klar, dass auch damals starke Veränderungen im Gewerbe stattfanden, welche das Stadtbild nachhaltig veränderten. Die meisten Häuser der Grimmaer Altstadt waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein- oder zweigeschossig und beherbergten meist Handwerker. Die Läden bestanden häufig nur aus einem kleinen Verkaufsraum und der Werkstatt. Geschäfte mit Schaufenstern gab es gar nicht. Fabrikbetriebe befanden sich fast nur in Großstädten und machten den ländlichen Handwerkern noch relativ wenig Konkurrenz. Zur Zeit der zweiten Ausstellung hatte sich das Bild schon deutlich gewandelt. Die alten Gebäude wurden vor allem in der Langen Straße durch größere Neubauten ersetzt und beherbergten nun verhältnismäßig großzügige Verkaufsräume. Die ersten kleinen Warenhäuser mit mehreren Geschossen entstanden, während die traditionellen Handwerksbetriebe nicht mehr wie früher in großer Zahl in der Innenstadt zu finden waren. Seit den 1890ern siedelten sich auch in Grimma größere Fabriken an und durch das Bevölkerungswachstum von ca. 5.800 (1860) auf rund 11.500 (1908) Einwohner stieg die Zahl der reinen Handelsgeschäfte. In der Bevölkerung gab es nun viel mehr Arbeiter, welche kein eigenes Ladengeschäft betrieben und zur Miete wohnten, was es um die Mitte des 19. Jahrhunderts kaum gab.
Der Wandel spiegelt sich auch in den beiden Ausstellungen wieder, wenn man diese einem Vergleich unterzieht. Werden die weiblichen Handarbeiten nicht berücksichtigt, gehörten 1860 rund 91% der Aussteller dem Handwerkerstand an, nur 3,3% waren Kaufleute. Fabriken machten nur ca. 1,5% aus, wobei diese Betriebe nach heutigen Maßstäben, bestenfalls größere Handwerksbetriebe waren. Auf der zweiten Ausstellung von 1908 hatte sich das Bild schon deutlich gewandelt. Aus dem Handwerk kamen nur noch 49,5%, dem Handel gehörten jetzt ca. 17% der Aussteller an, der Industrie sogar 19,5%.
Dem Strukturwandel zwischen den beiden Gewerbeausstellungen waren die Gewerbetreibenden damals genauso unterworfen, wie die Händler heute und fielen diesem häufig zum Opfer. Auch das zeigen die beiden Ausstellungen, denn auch 1908 gab es kaum Geschäfte, welche zuvor schon auf der Ausstellung von 1860 vertreten waren.
Ein bleibendes Denkmal hinterließ die Gewerbeausstellung von 1908 in Form des Marktbrunnens von Grimma. Die Hälfte des Gewinns wurde zur Finanzierung eines Monumentalbrunnens bestimmt und damit der Anstoß zu seiner Errichtung gegeben. Nach vier Jahren wurde dieser schließlich mit einem großen Brunnenweih- und Blumenfest den Bürgern der Stadt übergeben. Einst umstritten ist der Brunnen heute ein Wahrzeichen der Stadt.