Die Kohle gibt – die Kohle nimmt

Texttafeln zur Ausstellung

Die Kohle gibt – die Kohle nimmt
Der Braunkohletagebau
Die Braunkohlenflöze
Stratigraphie
Die Torfgräberei
Der Tiefbau
Der Tagebau I
Der Tagebau II
Der Großtagebau I
Der Großtagebau II
Devastierung
Verlorene Orte

Verlorene Orte

Über 24 000 Menschen aus über 80 Dörfern in Sachsen wurden seit Beginn des Braunkohleabbaus umgesiedelt. Geschichtsträchtige Dörfer mit stolzen Bauernhöfen verwandelten sich in schwarze Flecken auf der Landkarte. Unwiederbringlich verschwanden vertraute Orte der Kindheit, des gelebten Lebens. Menschen gingen in eine neue Zukunft mit der Gewissheit, nicht mehr zurück zu können. Ein kurzer Blick auf die Umsiedlungsgeschichtedreier Dörfer soll exemplarisch positive und negative Konsequenzen für die betroffenen Menschen dieser Region zeigen.
Die ersten bergbaubedingten Ortsverlegungen in Mitteldeutschland gehen auf das Jahr 1921 zurück. Mit der Ortslage Rusendorf fiel der erste Ort im ehemaligen Bezirk Leipzig der Kohle zum Opfer. In den 40er Jahren waren es Zeschwitz mit 403 und Witznitz mit 861 Einwohnern. Mit steigendem Kohlebedarf in den 30er Jahren und dem Bestreben, Deutschland von Energie-und Treibstoffimporten unabhängig zu machen, wurde der Abbau der beiden Orte vorangetrieben. Das Abbaurecht für die unter dem Dorf Witznitz liegende Kohle wurde der Deutschen Erdöl-Aktiengesellschaft vom Sächsischen Staat am 17.9.1938 erteilt. In einem zwischen der Stadt Borna und der DEA am 20.4.1940 abgeschlossenen Vertrag wurden die Schritte zur Umsiedlung vereinbart. Die Ersatzwohnungen wurden in Borna errichtet. Es entstanden ausschließlich 4-und 5-Familienhäuser. Die im Plan vorgesehenen Einfamilienhäuser durften trotz Bauwilligkeit verschiedener Witznitzer Bürger nicht gebaut werden. Am 1.10.1940 ordnete der Leiter des Wirtschaftsministeriums Mutschmann für das Dorf die Eingemeindung nach Borna an. Damit wurde die lang gehegte Hoffnung der Witznitzer, die Gemeinde als solche zu erhalten und an anderer Stelle wieder zu errichten, zunichte gemacht.

Sichtbar ist die weitgehend undokumentierte Zerstörung der Ortsbilder und Baudenkmäler, seien es Kirchen, Schlösser oder Bauernhöfe. Fast unbeobachtet und vergessen blieb dagegen die Verwüstung bedeutender archäologischer Bodendenkmäler. Eine Ausnahme bildet das 1226 erstmals genannte Dorf Breunsdorf. Die bereits 1987 eingeleitete Umsiedlung blieb auch nach 1989 unter veränderten Abbaurahmenbedingungen notwendig und zog sich bis 1994 hin. Ab August 1995 wurde das Dorf abgerissen. Die Betroffenen wurden nicht gemeinsam, sondern nach altem Muster an mehreren Orten (Borna, Neukirchen, Wyhratal) angesiedelt.
Das Verschwinden von Breunsdorf eröffnete dem Landesamt für Archäologie Dresden die seltene Gelegenheit, die Entwicklung von Ort und Flur vom Beginn der Besiedlung im 12. Jh. bis in die heutige Zeit vollständig ergraben und nachzeichnen zu können. Vielfältige Fragen zu Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen in einem westsächsischen Dorf können bald exemplarisch beantwortet werden.

Exemplarisch aus einem anderen Blickwinkel ist die Entwicklung von Dreiskau-Muckern. 1950 unter „Bergbauschutz11 gestellt, mit der lähmenden Aussicht auf eine Überbaggerung zwischen 1995 und 2000, verringerte sich die Einwohnerzahl des „Doppeldorfs II von ca. 600 (1956) auf 354 (1989). Dies führte zu einer raschen Auszehrung der sozialen und baulichen Substanz des Dorfes. Die Bewohner wurden durch fehlende Umsiedlungskonzepte je nach Lebensplanung und materieller Situation in alle Winde verstreut. Aufgrund der ungeklärten Entschädigungsfrage nach der Wende lebten 1993 nur noch 52 Menschen im Dorf.

Der Ort mit maroder Bausubstanz war zu einem Geisterdorf verkommen, die örtliche dörfliche Kultur minimiert. Infolge der zusammenbrechenden Braunkohlenindustrie nährte sich die Hoffnung auf eine baldige Stilllegung des Tagebaus Espenhain. Die Abwanderung wurde gestoppt und das Dorf mit der verbliebenen Bausubstanz durch starken Willen von noch ortsansässigen und zugezogenen Bewohnern revitalisiert. Ende 2000 wohnten wieder rund 360 Menschen im Dorf. Bergbau ist Landschaftswandel im Zeitraffertempo. Die Natur, die im Laufe der Erdgeschichte von viel mächtigeren Umwandlungen geprägt wurde, heilt sich selbst. Die Furchen im zerklüfteten Land werden in Jahrzehnten von weiten Gewässern, Sandstränden, grünenden Wiesen und Wäldern überdeckt sein. Die Rekultivierung am Cospudener See zeigt den Ansatz einer auf Erholung ausgerichteten Wald- und Seenlandschaft Durch die Strukturvielfalt und das Vorhandensein von Biotopen in den naturgeschützten Gebieten des ehemaligen Tagebaues Borna/Ost z.B. siedeln sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten an, unter denen sich mehrere gefährdete Arten befinden. Während ein Großteil ihrer ursprünglichen Lebensräume durch die intensive Nutzung der Kulturlandschaft verloren ging, fanden diese Arten in der Bergbaufolgelandschaft geeignete Sekundärlebensräume.