Die Kohle gibt – die Kohle nimmt

Texttafeln zur Ausstellung

Die Kohle gibt – die Kohle nimmt
Der Braunkohletagebau
Die Braunkohlenflöze
Stratigraphie
Die Torfgräberei
Der Tiefbau
Der Tagebau I
Der Tagebau II
Der Großtagebau I
Der Großtagebau II
Devastierung
Verlorene Orte

Devastierung

„Die Kohle gibt, die Kohle nimmt.“ Kohle schenkt u.a. Wärme, Energie und warmes Wasser. Die Arbeit in der Braunkohle ernährte in der Region Borna mehrere Generationen. Sie sorgte für einen gewissen Wohlstand und die An-siedlung vieler Menschen. Aber Braunkohletagebaue, Brikettfabriken, Schwelereien und Kraftwerke führten auch zu großen Belastungen für die Menschen und die Natur. Schon um 1910 hatte der Übergang zur Betreibung größerer Tagebaue kontinuierlich verwüstete Felder hinterlassen. Die mit den Grubenaufschlüssen einhergehende Grundwasserabsenkung minimierte die bodenfruchtbarmachenden Frühjahrsüberschwemmungen und reduzierte die Fischerei und Flößerei. Mühlen lieferten weniger Strom. Der Landentzug durch die Großtagebaue Borna, Borna-Ost, Witznitz, Schleenhain, Espenhain und Böhlen sowie Profen von Sachsen-Anhalt und Haselbach vom Süden her hatte sich zwischen 1945 und 1955 mehr als verdoppelt. Das Verhältnis Abraum zu Kohle lag nun bei 6:1 bis 10:1.

Die Wirkung auf den Lebensraum der Bewohner des Südraums war und ist am gravierendsten. Neben den Landschaftsveränderungen und den Umweltbelastungen durch die Braunkohlenindustrie bildeten die Devastierung und anschließende Überbaggerung der zahlreichen Wohnorte einen entscheidenden Eingriff in die Lebensplanung der betroffenen Bewohner. Die ländliche Bevölkerung verlor nicht nur ihre Existenzgrundlage sondern auch ihre Heimat. In den 50er Jahren wurden in der Region Borna acht vor allem dörfliche Ortschaften überbaggert und drei Siedlungen teilverwüstet. 3.439 Einwohner wurden umgesiedelt. In den 60er Jahren erreichte die Anzahl zerstörter Orte mit 15 Devastierungen und Teilortsverlegungen ihren Höhepunkt (3.360 EW). Andererseits profitierten viele der später betroffenen Bewohner jahrzehntelang selbst direkt von den zahlreichen Arbeitsplätzen und den Gewinnen durch die Kohle. Die zentralstaatliche Planung in der ehemaligen DDR setzte Ende der 70er und in den 80er Jahrenaufgrund veränderter Weltmarktpreise für Erdöl die Braunkohlenförderung unvermindert fort. So waren von 1970 bis 1990 weitere 30 Siedlungen vollständig oder teilweise von berg-baulicher Umsiedlung betroffen. Die 80er Jahre prägte der Abriss auch städtischer Siedlungen, u.a. des erst in den 30er Jahren errichteten Arbeiterwohnorts Magdeborn mit 3200 Bürgern und der Kleinstadt Eythra mit 2.800 Bewohnern. Baustoffe waren in der DDR sehr knapp. Nur wenige Familien konnten sich ein neues Wohnhaus errichten. Viele mussten sich mit einem verordneten Umzug in eine der Neubauwohnungen von Leipzig, Borna oder Kitzscher abfinden. Viele von ihnen schätzten den neuen Komfort, wie ein WC innerhalb der Wohnung, fließendes warmes Wasser u.ä., aber sie empfanden das dortige Leben als fremd. Den Dörflern fehlte die ländliche Beschäftigung. Es gab weder Gartenland, noch konnten Tiere gehalten werden. Die über Jahrhunderte bestehende enge Verbindung von Bergbau und landwirtschaftlichem Nebenerwerb ging weitestgehend verloren. Wegen des Kohlenabbaus konzentrierten sich Ersatzwohnbauten auf nur wenige Standorte und entwickelten sich zu „Schlafsiedlungen“ im ländlichen Raum. Fast ausnahmslos wurde in den schon bestehenden Industriedörfern Deutzen, Neukieritzsch, Böhlen, Kitzscher, Espenhain u.a. sowie in den Städten Regis, Rötha, Böhlen und Borna Arbeiterwohnungen und Arbeiterwohnheime gebaut. Die Gewinnung und Verarbeitung des Rohstoffes strukturierte das gesamte gesellschaftliche Leben und die persönlichen Schicksale der Menschen in dieser Region.
Sie schätzten die positive Wirkung der gesicherten Existenz, versuchten aber teilweise auch sich gegen den negativen Einfluss auf die Umwelt und ihr Leben zu wehren. In den 90er Jahren verbesserte das jähe Ende der überdimensionierten Kohleindustrie im Süden von Leipzig die Umweltsituation. Die Menschen wurden allerdings hart mit den negativen Seiten des Strukturwandels konfrontiert. Massenarbeitslosigkeit stürzte viele in eine bis heute ungewisse Zukunft.